Wortgeschichte
Aspekte des Umherziehens
Das Wort Tramp wird im späten 19. Jahrhundert aus dem gleichbedeutenden amerikanischen Englisch tramp Vagabund, Landstreicher
(vgl. 3OED unter tramp) ins Deutsche entlehnt (s. auch 1DFWB unter Tramp). Zunächst begegnet es u. a. in Reiseberichten über England und Amerika (1872, 1888). Das Leben nordamerikanischer Tramps wird auch als Stoff für Abenteuerromane genutzt, was dazu führt, dass das Wort eine weitere Verbreitung erfährt (s. Trübner 7, 85; 1910). Im weiteren Verlauf der Wortgeschichte wird Tramp auch allgemeiner in der Bedeutung ,Wanderarbeiter‘ verwendet (1952, 2021a).
Der Lesart jemand, der per Anhalter fährt
(1958, 2016) geht vermutlich die Handlungsbezeichnung Fußwanderung
(1937) voraus. Geläufig ist auch die Ableitung Tramper (1994). Auch wenn für das Verb trampen zum Beginn des 20. Jahrhunderts ein Entlehnungsvorgang aus dem Englischen zu verzeichnen ist, ist anzunehmen, dass es sich bei dem Verb in der Lesart per Anhalter fahren
um eine Ableitung von dem im Deutschen geläufigen Gebrauchszusammenhang zu Tramp handelt (s. Das Verb - ein falscher Freund).
Populärkulturelle Zitate
In der Populärkultur begegnet das Wort Tramp häufig als Figurenbezeichnung für die Rolle Charlie Chaplins, die zu seiner berühmtesten Leinwandfigur zählt. Diese erscheint zuerst im Film Kid Auto Races at Venice, in der Chaplin die Rolle eines Vagabunden, des Tramps, verkörpert. Die Interpretation dieser Rolle schließt an die Lesart Landstreicher
an und ist mit charakteristischen äußeren Merkmalen verbunden, etwa einer Pluderhose, einem zu engen Jackett, Zweifingerschnurrbart und Melone (s. auch Abb. 1). Mit dieser von ihm gespielten Rolle wird Chaplin zur Ikone des Stummfilms. Die Sozialfigur gehört zu einem Allgemeingut der Filmgeschichte, die die sich mit dem Tramp verbindenden Vorstellungen bis heute prägt (1978, 2013).

Abb. 1: Charlie Chaplin in der Rolle des Tramp (Fotograf: Charles C. Zoller; 1917/1918)
Wikimedia Commons (wikimedia.org) | Public Domain Mark 1.0
Daneben ist Tramp auch als Frauenbezeichnung geläufig. Diese schließt wiederum an das besonders im Amerikanischen geläufige tramp an, hier in der Bedeutung sexuell freizügig lebende Frau
(vgl. 3OED unter tramp). Im Deutschen begegnet Tramp in der Lesart Gammlerin, durchtriebene Frau
zwar seltener (1998, 2021b), aber auch hier steht ein populärkulturelles Element als Vermittlungsinstanz für die wortgeschichtliche Entwicklung und Verbreitung. Die in den 1930ern für das Musical Babes in Arms verfasste Musiknummer – später auch ein Schlüssellied Frank Sinatras – The Lady is a tramp ist als häufig gebrauchtes Musikzitat zu beurteilen, welches Tramp als Personenbezeichnung für eine Frau bis in die Gegenwart präsent hält (1972, 2019).
Das Verb – ein falscher Freund
Das intransitive Verb trampen wird in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus englisch to tramp zu Fuß wandern; als Tramp reisen
(vgl. 3OED unter tramp) entlehnt (s. auch 1DFWB unter trampen sowie Anglizismen-Wb. 3, 1559). In der Bedeutung wandern
ist es allerdings nur vereinzelt belegt (1934, 1948). Weitaus geläufiger wird in der zweiten Jahrhunderthälfte die Lesart per Anhalter fahren
, die sich meist auf junge, unbemittelte Reisende bezieht, welche durch den von der Faust abgespreizten Daumen ihre gewünschte Fahrtrichtung äußern (1950, 2021c). Da diese Lesart dem Verb to tramp fremd ist, zählt das Wort interlinguistisch zu den sogenannten falschen Freunden. Wahrscheinlicher ist eine Ableitung von dem bereits im Deutschen geläufigen Tramp. Der im amerikanischen Englisch zu verortende Ausdruck für trampen, per Anhalter fahren
ist to hitchhike (vgl. 3OED unter hitch-hike).
Literatur
Anglizismen-Wb. Anglizismen-Wörterbuch. Der Einfluß des Englischen auf den deutschen Wortschatz nach 1945, begründet von Broder Carstensen, fortgeführt von Ulrich Busse. Bd. 1–3. Berlin/New York 1993–1996.
1DFWB Schulz, Hans/Otto Basler: Deutsches Fremdwörterbuch. Weitergeführt im Institut für deutsche Sprache unter der Leitung von Alan Kirkness. Bd. 1–7. Straßburg bzw. Berlin 1913–1988. (owid.de)
3OED Oxford English Dictionary. The Definite Record of the English Language. Kontinuierlich erweiterte digitale Ausgabe auf der Grundlage von: The Oxford English Dictionary. Second Edition, prepared by J. A. Simpson and E. S. C. Weiner, Oxford 1989, Bd. 1–20. (oed.com)
Trübner Trübners Deutsches Wörterbuch. Im Auftr. der Arbeitsgemeinschaft für Deutsche Wortforschung hrsg. von Alfred Götze, fortgeführt von Walther Mitzka. Bd. 1–8. Berlin 1939–1957.