Wortgeschichte
Herkunft aus dem Schweizerdeutschen
Putsch, das gegenwärtig zentral die Bedeutung (militärischer) Umsturz
trägt, ist ursprünglich ein Wort des Schweizerdeutschen: Hier ist es mindestens seit dem 15. Jahrhundert in der Bedeutung Knall, heftiger Stoß, Puff, Anprall
bezeugt. Ebenfalls nur in der Schweiz kann es seit dem 16. Jahrhundert auch übertragen plötzlicher Vorstoß, Anlauf gegen ein Hindernis, zu einem Unternehmen
bedeuten (vgl.
Pfeifer unter PutschDWDS sowie Idiotikon
IV, 1936–1937). Erstmals in der Bedeutung politischer Aufstand
ist das Wort Mitte des 19. Jahrhunderts bezeugt (1840, 1847); es handelt sich hier wohl um einen metaphorischen Wandel. Auch diese Bedeutung begegnet zunächst in der bzw. in Bezug auf die Schweiz, wo es auf den Sturz der Regierung des Kantons Zürich 1839 übertragen wird – das zeigt sich besonders auch in der Wortbildung Züriputsch (1840, 1841, 1857, 1889).
Verbreitung im gesamtdeutschen Sprachraum
Im gesamtdeutschen Sprachraum verbreitet sich das Wort etwa zehn Jahre später, möglicherweise befördert durch die politischen Ereignisse 1848/1849 (1848b, 1848e, 1848f) – interessanterweise aber zeitgleich auch mit deutlichen Bezügen auf das Ausland (1848c, 1848d, 1848a). Gerade in den frühen Jahren begegnen zugleich durchaus noch Belege, in denen Putsch noch nicht endgültig auf die Bedeutung politische Aufruhr, die zum Sturz der Regierung führen soll
allein festgelegt ist, sondern auch noch in einer recht unspezifischen und weiten Bedeutung von politische Umwälzung
verwendet wird (1849b, 1855b). In der Nachfolge begegnet das Wort zunehmend in Bezug auf solche politischen Aufstände, die sich gegen eine herrschende Regierung richten, häufig bewaffnet sind und auf deren Sturz abzielen (1933, 1970).
Bedeutungsverengung und Wortbildungen im 20. Jahrhundert
Spätestens ab den 1920er Jahren ist das Kompositum Militärputsch bezeugt (1920b, 1947, 2017c). Zudem bezeichnet Putsch im 20. Jahrhundert vermehrt bewaffnete Machtübernahmen durch das Militär (1914, 1974, 1984b, 1991, 2012). In diesem Zusammenhang bildet Putsch im 20. Jahrhundert die gegenüber älteren Bezeugungen enger gefasste Bedeutung militärischer Umsturzversuch
aus; es liegt hier insofern ein Fall von semantischem Wandel durch Bedeutungsverengung vor.
Für einzelne Putsche bilden sich im 20. Jahrhundert feststehende Namen mit Putsch als Endglied aus, so insbesondere Kapp-Putsch (1920a, 1932a, 1968), Hitler-Putsch bzw. Hitlerputsch (1924, 1932b, seltener auch Hitler-Ludendorff-Putsch (1995b). Gelegentlich ist schließlich die Substantivbildung Putschismus belegt, die erstmals in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bezeugt ist (1875, 1897, 1918, 1954). Weitere verbreitete Komposita sind etwa Putschversuch (1849a, 1905, 2017b) und Gegenputsch (1848g, 1966a, 1984a).
Putschen: Verbableitung
Vom Substantiv Putsch in der Bedeutung politischer Aufstand, Umstoß
wird Mitte des 19. Jahrhundert das Verb putschen in entsprechender Bedeutung abgeleitet (1855a, 1919a, 1931, 1946, 1995a). Daneben stehen ältere Verwendungen des Verbs putschen, butschen in der Bedeutung stoßen
(vgl.
1DWB
II, 579, 1707). In der politischen Bedeutung wird das Verb häufig in der Wendung gegen jmd./etw. putschen gebraucht (1931, 1953, 1966b, 2010a).
Auffallend ist, dass sich ab den 2000er Jahren Belege mehren, in denen putschen in einem weiteren Sinn ohne Bedeutungsaspekte des revolutionären, des bewaffneten Aufstandes und der Ausrichtung gegen den Staat verwendet wird. Putschen bedeutet hier nurmehr, den Führungsanspruch von jemandem zu übernehmen (2000c, 2000a, 2017a). Besonders häufig, aber nicht ausschließlich begegnet diese Verwendung in Bezug auf die Politik (1995c, 2002, 2010b). Seltener begegnen im Übrigen auch Verwendungen des Substantivs Putsch, in denen sich Aufstand
und Übernahme der Führung gegen eine Leitungsperson innerhalb einer kleineren gesellschaftlichen Gruppe richtet (1964); auch hier ist von einem metaphorischen Wandel auszugehen.
Putscher und Putschist: Substantivbildungen
Im 19. Jahrhundert ist die Substantivbildung Putscher in der Bedeutung Aufwiegler, Aufständischer
belegt (1853, 1859, 1891; vgl. auch Pfeifer unter PutschistDWDS). Das Wort ist insgesamt allerdings kaum bezeugt und heute nicht mehr üblich. Im 20. Jahrhundert entsteht dann das neue Substantiv Putschist als Bezeichnung für jemanden, der putscht (2000b, 2010c). Es ist erstmals nach Ende des Ersten Weltkriegs und damit in etwa zeitgleich zur Bildung des Kompositums Militärputsch bezeugt (1919b, 1922, 1925), was die Vermutung nahelegt, dass die Wortbildung auch vor dem Hintergrund der politischen Ereignisse zu Beginn der Weimarer Republik zu verorten ist. Da das ältere Putscher in entsprechender Bedeutung auch in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts nicht häufiger als zuvor und insgesamt ohnehin nur vereinzelt bezeugt ist, kann wohl davon ausgegangen werden, dass die Neubildung von Putschist unabhängig von dem früheren Putscher zu verstehen ist. Selten begegnet Putschist auch in übertragener Verwendung (1972). Die weibliche Form Putschistin kann zwar gebildet werden (2016), ist aber bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum belegt.
Literatur
1DWB Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Bd. 1–16. Leipzig 1854–1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971. (woerterbuchnetz.de)
Idiotikon Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache. Bd. 1 ff. Basel/Frauenfeld 1881 ff. (idiotikon.ch)
Pfeifer Pfeifer, Wolfgang u. a.: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (1993), digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache. (dwds.de)