Wortgeschichte
Frühe Bezeugungen
Mit Ausländerfeindlichkeit und Fremdenfeindlichkeit sind zwei Komposita mit semantischen Überschneidungen belegt, die insbesondere in den beiden letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts weitere Verbreitung gefunden haben. Erste Bezeugungen sind gleichwohl älter: Fremdenfeindlichkeit ist etwa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts (1846, 1896), Ausländerfeindlichkeit ab der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (1923, 1924) nachweisbar. Damit sind die Bildungen jünger als das bereits Ende des 18. Jahrhunderts belegte AusländerhassWGd (1797) und das seit Beginn des 19. Jahrhunderts nachweisbare FremdenhassWGd (1806). Insgesamt bleiben sowohl Fremdenfeindlichkeit als auch Ausländerfeindlichkeit bis weit ins 20. Jahrhundert hinein selten. In frühen Verwendungen wird insbesondere Fremdenfeindlichkeit, hier durchaus vergleichbar Fremdenhass, häufig auf ablehnende Tendenzen anderer Gesellschaften gegenüber der eigenen bezogen (1896, 1906, 1911, 1914).
Semantische Abgrenzungen
Fremdenfeindlichkeit trägt seit den frühesten Bezeugungen die Bedeutung feindselige Haltung gegenüber Menschen oder Personengruppen, die als der
(1896, 1991b, 2011), Ausländerfeindlichkeit die Bedeutung eigenen
Gesellschaft fremd
gedeutet werdenablehnende, feindliche Haltung gegenüber im
(1939, 1989a, 2000b). Die Komposita weisen damit starke semantische Überschneidungen auf, sind aber nicht bedeutungsgleich (1994c): Während Ausländerfeindlichkeit sich gegen Personen(gruppen) richtet, die eigenen
Land, in der eigenen
Umgebung lebenden Ausländern oder als Ausländer gedeuteten PersonenAusländer
entweder in dem Sinne, dass sie eine andere Staatsangehörigkeit als die des Wohnortes haben (1989b) oder aber als Ausländer
gedeutet werden (1992, 2000a), kann das gegenüber der eigenen
Gesellschaft vermeintlich Fremde
sich auch auf dauerhaft in einer Gesellschaft verortete Faktoren wie bestimmte Religionszugehörigkeiten oder Minderheiten beziehen (1982b, 2006). Grundsätzlich liegt beiden Bedeutungen jedoch die diskursiv produzierte Differenzkonstruktion zwischen einem (vermeintlich) Eigenen und einem (vermeintlich) Fremden zugrunde (vgl. hierzu im Detail Busse 1997). Fremdenfeindlichkeit hat darüber hinaus semantische Überschneidungen zum älteren Fremdenhass (2017), wobei Fremdenhass zugleich als Steigerung von Fremdenfeindlichkeit begegnet (1982a, 2024).
Verwendungsspitze Ende des 20. Jahrhunderts
Abb. 1: Wortverlaufskurve zu Fremdenfeindlichkeit und Ausländerfeindlichkeit
DWDS (dwds.de) | Bildzitat (§ 51 UrhG)
Bleiben Fremdenfeindlichkeit und Ausländerfeindlichkeit zunächst selten, lässt sich in den 1980er und 1990er Jahren ein deutlicher Anstieg der Verwendungshäufigkeit beobachten (vgl. Abb. 1 sowie die entsprechende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers). Fremdenfeindlichkeit und Ausländerfeindlichkeit werden nun vielfach, wenngleich nicht ausschließlich (1998a), auf Tendenzen innerhalb der eigenen Gesellschaft bezogen (1986, 1991a, 1997a, 1999).
Belege, in denen das Wort im Kontext fremdenfeindlicher Anschläge (1994a, 1997b) sowie in Zusammenhang mit einem wachsenden Rechtsextremismus (1994b, 1998b) begegnet, legen nahe, dass der Bezeugungsanstieg beider Komposita vor dem Hintergrund sach- ebenso wie diskursgeschichtlicher Entwicklungen des ausgehenden 20. Jahrhunderts zu verorten ist. Auffallend sind schließlich weitere Verwendungsspitzen Anfang der 2000er Jahre sowie 2015/16 (vgl. Abb. 1); gerade letzterer korreliert zeitlich mit einem höheren Flüchtlingsaufkommen zu dieser Zeit.
Literatur
Busse 1997 Busse, Dietrich: Das Eigene und das Fremde. Annotationen zu Funktion und Wirkung einer diskurssemantischen Grundfigur. In: Matthias Jung/Martin Wengeler/Karin Böke (Hrsg.): Die Sprache des Migrationsdiskurses. Das Reden über „Ausländer“ in Medien, Politik und Alltag. Opladen 1997, S. 17–35.
Belegauswahl
Neue Klio. Eine Monatschrift für die französische Zeitgeschichte 1 (1797), S. 149. (books.google.de)In einem Stücke scheint er sich indessen zu irren: er traut den Franzosen einen entschiednen Ausländerhaß zu, und im Gegentheil möchte die französische Nation unter allen Nationen Europens die gehaßteste, und die wenigst hassende seyn.
Fischer, Christian August: Allgemeine unterhaltende Reisebibliothek […]. Bd. 1. Berlin 1806, S. 127. (books.google.de)Diese beständige Unruhe, diese halb räuberische, halb kriegerische Lebensart, muß natürlich jene Rohheit des Charakters befördern, die sich auch durch einen erklärten Fremdenhaß (Xenelasia) offenbart.
N. N.: Die Epigonen. Bd. 5. Leipzig 1848, S. 132. (books.google.de)Und wenn man in Bulgarin’s Wuishikin, oder in Gretsch’s sogenannten volksthümlichen Erzählungen, oder in Polewoi’s durch Fremdenfeindlichkeit allerdings sehr nationalrussischen Arbeiten dann einigen zum Zwecke der Erzählung grell nach der Caricatur oder dem Ideal hinübergezeichneten Lebensscenen begegnet, so glaubt man damit eine wirkliche Kenntniß russischer Volksinnerlichkeit erlangt zu haben.
Mitteilungen aus dem Verein zur Abwehr des Antisemitismus 6, 15. 02. 1896, Nr. 7, S. 56. (books.google.de)In der Provinz Hunau, die sich immer ganz besonders durch ihre Fremdenfeindlichkeit hervorgethan hat, ist der alles Ausländische hassende Geist jetzt wieder stärker als jemals, seitdem ein französisches Kanonenboot kürzlich den in Hunau liegenden Ort Yotschoh besucht hat.
Die Grenzboten 65/3 (1906), S. 545. (deutschestextarchiv.de)Die Einwanderungsstatistik Brasiliens redet nach dieser Richtung hin eine so deutliche Sprache, daß hier der zahlenmäßige Beweis folgen mag, wie zugleich mit der zunehmenden Fremdenfeindlichkeit in der zweiten Hälfte der neunziger Tahre die Einwanderung mehr und mehr einschrumpfte.
Heise, Ernst/Rudolf Marquardt: Erdkunde für Lehrerbildungsanstalten. III. Teil: Physische und politische Erdkunde von Asien, Australien, Afrika. Die deutschen Kolonien. Hannover-List/Berlin 1911, S. 97. [DWDS] (gei.de)Ihre Fremdenfeindlichkeit aber gegen die Europäer hat sich bis in unsere Zeit erhalten.
Trierenberg, Georg: Togo, die Aufrichtung der deutschen Schutzherrschaft und die Erschließung des Landes. Berlin 1914. [DWDS]Dem Vormarsch dorthin begegneten insofern Schwierigkeiten, als Führer nach dem Kabureland schwer zu erlangen waren, weil die Kabure bei den Eingeborenen im Rufe großer Wildheit und Fremdenfeindlichkeit standen.
Der Auslandsdeutsche Band. Halbmonatsschrift für Auslanddeutschtum und Auslandskunde 6 (1923), Nr. 11, S. 310.Das ist eine der Folgen der Paßerlasse der deutschen Regierung, die den Eindruck der Ausländerfeindlichkeit erwecken.
Burckhardt, W.: Referat von Prof. W. Burchkardt, Bern. In: Schweizerische Vereinigung für Internationales Recht: Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit des Staates für die auf seinem Gebiete begangenen Verbrechen. Referate von Dr. Paul Ruegger und Prof. W. Burckhardt, Bern. Druckschrift Nr. 17, Zürich 1924, S. 19–32, hier S. 27.Eine Anordnung kann aber nur gehässig und ungerecht sein, ohne eine Rechtsverweigerung zu sein, und eine andere kann dem Begriff nach eine Rechtsverweigerung sein ohne jenen Charakter der Ausländerfeindlichkeit zu tragen.
Schultz, Fritz: Der Deutsche in der englischen Literatur vom Beginn der Romantik bis zum Ausbruch des Weltkrieges. Göttingen 1939, S. 6.Hier sei bemerkt, daß die Ausländerfeindlichkeit Englands im Mittelalter stark ausgeprägt war.
Plenarprotokoll vom 4. 2. 1982. In: Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll Nr. 09/83, S. 4909. [DWDS] (bundestag.de)Ich will hier noch einmal auf einen Gesichtspunkt eingehen, der eben schon eine Rolle spielte, der mir wichtig genug erscheint, daß man ihn hier noch einmal aufgreift, die Fremdenfeindlichkeit bis hin zum Fremdenhaß.
N. N.: Sinti und Roma gründen Dachverband. In: Archiv der Gegenwart, Bd. 52, 14. 2. 1982, S. 25333 [ff.]. Zit. n. CD-ROM-Ausgabe 2001 [zuerst 1982]. [DWDS]Wegen der „neu aufkeimenden Fremdenfeindlichkeit“ will sich der Zentralrat nach eigener Aussage um Aussöhnung und Verständigung zwischen den etwa 50000 Sinti und Roma und der übrigen deutschen Bevölkerung bemühen.
N. N., „Wir sollten Vorbild bleiben“, in: Der Spiegel 29. 9. 1986, S. 141–143 u. 145. [DWDS]Gerade deshalb müssen wir auch besonders darauf achten, daß in der Bundesrepublik Deutschland keine Ausländerfeindlichkeit entsteht.
N. N.: Innenpolitik. In: Archiv der Gegenwart, Bd. 59, 29. 1. 1989, S. 33004 [ff.]. Zit. n. CD-ROM-Ausgabe 2001 [zuerst 1989]. [DWDS]Drei große Linien lassen sich im Programmm der Partei erkennen: eine ausgesprochene Ausländerfeindlichkeit mit dem Ziel, den Anteil der in der Bundesrepublik lebenden Ausländer zu verringern; die Betonung des Rechtsanspruchs auf die Ostgebiete und die Etablierung von „Sauberkeit“ im öffentlichen Leben.
N. N.: Innenpolitik. In: Archiv der Gegenwart, Bd. 59, 18. 6. 1989, S. 33432 [ff.]. Zit. n. CD-ROM-Ausgabe 2001 [zuerst 1989]. [DWDS]Wenn man das Entstehen von Ausländerfeindlichkeit vermeiden wolle, so erfordere dies, daß man die Bürger nicht überfordere; der Zuzug an Ausländern müsse begrenzt bleiben.
N. N.: Innenpolitische Ereignisse. In: Archiv der Gegenwart, Bd. 61, 29. 9. 1991, S. 36068 [ff.]. Zit. n. CD-ROM-Ausgabe 2001 [zuerst 1991]. [DWDS]Die Grünen warfen der SPD vor, die Fremdenfeindlichkeit in Bremen geschürt zu haben, da Bürgermeister Klaus WEDEMEIER seit Juli wiederholt verkündet habe, die Zahl der Asylanträge spürbar zu begrenzen und die Anträge von Bewerbern aus Polen und Rumänien nicht mehr anzunehmen.
N. N.: Sieg der Konservativen bei Reichstagswahlen; Bildt neuer Ministerpräsident. In: Archiv der Gegenwart, Bd. 61, 3. 10. 1991, S. 36084 [ff.]. Zit. n. CD-ROM-Ausgabe 2001 [zuerst 1991]. [DWDS]BILDT wandte sich gegen Fremdenfeindlichkeit und die Diskriminierung von Einwanderern und hob hervor, Schweden müsse ein offenes und tolerantes Land bleiben; er dankte den Ausländern ausdrücklich für ihre Mitarbeit am Aufbau Schwedens.
N. N.: Zuspitzung der Asyldebatte; gewaltsame Übergriffe und Mordanschläge gegen Ausländer; zunehmende Militanz rechtsradikaler Gruppen; der Brandanschlag von Mölln; SPD-Sonderparteitag stimmt einer Asylrechtsänderung zu. In: Archiv der Gegenwart, Bd. 62, 23. 11. 1992, S. 37354 [ff.]. Zit. n. CD-ROM-Ausgabe 2001 [zuerst 1992]. [DWDS]Sie verurteilen jede Form von Fremdenhaß, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus. Unsere besondere Solidarität gilt allen Bürgerinnen und Bürgern jüdischen Glaubens.
Berliner Zeitung, 8. 1. 1994. [DWDS]In einer von Ausländerfeindlichkeit geprägten Zeit und nach den Ereignissen in Mölln und Solingen wolle er ein persönliches Zeichen setzen, so der Richter Wolfgang Krause über die Motivation für sein Engagement.
Berliner Zeitung, 17. 1. 1994. [DWDS]Zur selben Zeit demonstrierten in der Gemeinde rund 250 Menschen gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit.
Berliner Zeitung, 24. 8. 1994. [DWDS]„Wir haben in Deutschland keine Ausländerfeindlichkeit, sondern Fremdenfeindlichkeit“, erklärte Ignatz Bubis bei einer Diskussion auf dem Spandauer Markt, der auf Einladung des Spandauer FDP-Politikers Karl-Heinz Bannasch die Havelstadt besuchte.
Berliner Zeitung, 30. 1. 1997. [DWDS]Er will sich auch in anderen Bezirken nicht um eine Parzelle bewerben, weil er fürchtet, dort ebenso Ausländerfeindlichkeit wie in Reinickendorf zu erleben.
Die Zeit, 13. 6. 1997, S. 10. [DWDS]Auch die zunehmende Ausländerfeindlichkeit nach der deutschen Wiedervereinigung, die insbesondere durch die Ereignisse von Hoyerswerda, Rostock, Mölln und Solingen deutlich geworden ist, trug dazu bei, die Einwanderer zu verunsichern.
Die Zeit, 27. 8. 1998, S. 12. [DWDS]Manchmal droht es gar, in Fremdenfeindlichkeit abzugleiten: In den letzten Wochen wurden Tutsi auf den Straßen Kinshasas als Ausländer gejagt, als Brut des äußeren Feindes.
Die Zeit, 1. 10. 1998, S. 80. [DWDS]Ich habe in Halle/Saale bisher noch nie solch heftige Diskussion über Ausländerfeindlichkeit, Nationalstolz, Intoleranz führen müssen wie in den Jahren nach 1990 in Hamburg. Dort ist der Rechtsextremismus gemäß meinen Erfahrungen in der Alltagskultur, insbesondere auch im Mittelstand, wesentlich weiter verbreitet als hier.
Berliner Zeitung, 16. 7. 1999. [DWDS]Leider ignoriert die Landesregierung die eklatante Fremdenfeindlichkeit in Teilen der Bevölkerung seit Jahren.
Die Zeit, 24. 2. 2000, S. 7. [DWDS]Ausländerfeindlichkeit etwa, Rassismus, Intoleranz gegenüber ethnischen Minderheiten – sie sind unvereinbar mit den Prinzipien der Europäischen Union.
N. N.: Nahostreise Schröders; Verbotsantrag gegen NPD; Erinnerung an Judenpogrom; Kabinett beschließt Rentenreform; Rücktritt von Klimmt; weiter Streit um Leitkultur; erster BSE-Fall; Regierungserklärung Schröders; Personalia. In: Archiv der Gegenwart, Bd. 70, 9. 11. 2000, S. 44578 [ff.]. Zit. n. CD-ROM-Ausgabe 2001 [zuerst 2000]. [DWDS]Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul SPIEGEL, kritisierte Äußerungen von Politikern zur Zuwanderung und zum Begriff „Leitkultur“, wobei er anmerkte, dass es angesichts der Ausländerfeindlichkeit um jeden einzelnen Menschen und nicht darum gehe, wie viele Ausländer das Land vertrage.
I had a dream! In: Zurpolitik (Blog), 10. 11. 2006. [DWDS]Und, dass die Basis in stets vorhandener Fremdenfeindlichkeit (gegen den Islam, gegen Asylanten und Flüchtlinge, gegen Juden usw.) wurzelt, bedarf keiner großen Ausführung mehr.
Ulrich Kasparick im Gespräch über Fremdenfeindlichkeit, die Möglichkeiten der Kirche und die Anzeige gegen Horst Seehofer. In: Die Freiheitsliebe (Blog), 24. 3. 2011. [DWDS]Er will all jene potentiellen Wähler, die aufgeschlossen sind gegenüber Fremdenfeindlichkeit und die gegen Migranten eingestellt sind, an die CSU binden.
Plenarprotokoll vom 29. 6. 2017. In: Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll Nr. 18/243, S. 24946. [DWDS] (bundestag.de)Als die bayerischen Ermittler Zweifel angemeldet haben, ob es nicht vielleicht Fremdenfeindlichkeit, Fremdenhass sein könnte, wurden sie abgebügelt, wurde gesagt: Wir sind uns aber sicher.
Rechtsextremismus. In: Wikipedia: Die freie Enzyklopädie. 3. 9. 2024. [DWDS] (wikipedia.org)Kennzeichen solcher Konzepte, insbesondere in Europa, sind verschiedene rechtsextreme Symbole und Zeichen, Geschichtsrevisionismus hinsichtlich bestimmter Epochen, etwa zum italienischen Faschismus und zur Zeit des Nationalsozialismus, Fremdenfeindlichkeit bis hin zum Fremdenhass, antiamerikanische und/oder andere Verschwörungstheorien.