Wortgeschichte
Sach- und Wortgeschichte
Unter Naturschutz werden im 21. Jahrhundert alle staatlich festgelegten und überwachten Maßnahmen zur Erhaltung von Eigenart und Schönheit der heimatlichen Natur
verstanden. Der Gedanke eines nachhaltigen Umgangs mit der Natur, ja selbst der Erlass rechtlicher Regelungen zum Schutz vor Raubbau an der Natur sind sehr alt; ein frühes Beispiel ist Hans Carl von Carlowitz Sylvicultura oeconomica aus dem Jahr 1713, in dem für eine nachhaltende Forstwirtschaft plädiert wird (1713). Als Wort entsteht Naturschutz hingegen erst am Ende des 19. Jahrhunderts, und dies zunächst in einem spezifischen Umfeld, genauer der Heimatschutzbewegung.
Zur Entstehung des Wortes Naturschutz um 1900 und zu seinen nationalen Implikationen
Naturschutz begegnet gelegentlich bereits im Laufe des 19. Jahrhunderts, hier allerdings in Verwendungen mit der Bedeutung natürlicher Schutz
oder Schutz in der Natur
(1843, 1869). Zu den Vorläufern des Wortes Naturschutz in der Bedeutung Erhaltung der Natur
gehört das des Naturdenkmals, das wohl Alexander von Humboldt geprägt hat (1860). In der Frühzeit bezieht sich Naturschutz wesentlich auf Naturdenkmäler, die hier weniger in einem ökologischen als vielmehr in einem nationalen Zusammenhang gesehen werden (1897d, 1912). Das Wort Naturschutz – ein Kompositum aus Natur und Schutz – wird gemeinhin auf den Berliner Musikprofessor Ernst Rudorff zurückgeführt (vgl. BfN 2019), auch wenn sehr vereinzelt neben Naturdenkmal auch Naturschutz bezeugt ist (1874, 1882). Rudorff hat in zwei Beiträgen im Grenzboten auch das Wort Heimatschutz geprägt, gilt gemeinhin als Begründer sowohl der Naturschutz- als auch der Heimatschutzbewegung und wird zur Verbreitung des Wortes maßgeblich beigetragen haben.
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Naturschutz ist in Rudorffs Entwurf ein Teilbereich des Heimatschutzes, wie der gleichnamige Beitrag im Grenzboten verdeutlicht, der Vereine für den Natur-, Denkmals- und Volkstumsschutz[]
einfordert (1897c). Damit aber entsteht das Wort Naturschutz zugleich in einem spezifischen diskursiven Umfeld, genauer im Kontext der konservativen Kulturkritik der Jahrhundertwende, die sich unter Rückbezug auf eine vermeintlich bessere Vormoderne, unter Idealisierung und Romantisierung einer ursprünglichen
Natur und unter explizitem Rückbezug auf die Romantik programmatisch gegen Industrialisierung und Moderne richtet (1897a). Zugleich ist dies ein Diskursumfeld, das wenigstens in Teilen durch völkische Ideen und Argumentationsmuster gekennzeichnet ist. Das zeigt sich auch in Rudorffs Heimatschutzkonzept: Rudorff positioniert sich in Heimatschutz explizit gegen die Ideen der roten Internationalen
(1897b). Mit Heimat- und Naturschutz verfolgt er zudem das übergeordnete Ziel einer Stärkung nationaler Identität, wenn es gelte, die gesamte überlieferte Physiognomie des Vaterlandes
(1897d) zu erhalten. Wenn Naturschutz also im Kontext der konservativen Heimatschutzbewegung geprägt wird, dann ist es in dieser Zeit mit den entsprechenden Implikationen versehen.
Seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts ist der Naturschutz auch rechtlich geregelt (1926b, 1926a); Naturschutz wird so zu einem Rechtsbegriff.
Vereinnahmung während des Nationalsozialismus
Zwar gehört das Wort Naturschutz nicht zum NS-Wortschatz im engeren Sinn – jedenfalls wurde es in die Wörterbücher, die das Vokabular des Nationalsozialismus beschreiben, nicht aufgenommen (Berning 1964, Schmitz-Berning 2000) –, wohl aber bleibt der Begriff nicht nur als Rechtsbegriff bestehen. Vielmehr wird er über die Präambel des Reichsnaturschutzgesetzes von 1935 in das Weltbild des Nationalsozialismus eingebunden und so vereinnahmt (1935; vgl. auch BfN 2019).
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Mit der Betonung des Deutschen
, des Heimatlichen
und des Landschaftsverfalls
knüpft das Reichsnaturschutzgesetz explizit an nationale und völkische Diskursfiguren ebenso wie an zivilisationskritische Deutungsmuster der Jahrhundertwende an, profiliert diese über Formulierungen wie weil wesentliche politische und weltanschauliche Voraussetzungen fehlten
(1935) zugleich aber auch deutlich hinsichtlich der eigenen Weltanschauung.
Die Anbindung und Fundierung des Wortes Naturschutz an nationalsozialistische Vorstellungen zeigt sich nicht nur im Rechtsdiskurs, sondern auch in anderen – gleichgeschalteten bis explizit nationalsozialistischen – Publikationen (vgl. exemplarisch 1933, 1940, 1941).
Ökologische Bedeutungsdimension nach 1945
Heute definiert und regelt das Bundesnaturschutzgesetz die rechtlichen Rahmenbedingungen und damit das Rechtswort Naturschutz (2017). Wie zur Zeit seiner Entstehung zielt das Wort noch immer darauf ab, dass Flora und Fauna unter besonderen Schutz gestellt werden, dabei mit grundlegend anderer Begründung, was wiederum Rückwirkungen auf die Konnotationen der Wörter Naturschutz und NaturschutzgebietWGd hat. So werden Naturschutz und Landschaftspflege nicht mehr, wie zur Entstehungszeit, an eine nationale Identität
rückgebunden, sondern nunmehr mit dem eigenen Wert der Natur einerseits und der Lebensgrundlage des Menschen andererseits begründet. Die sich hieraus ableitenden Ziele sind entsprechend der Erhalt der biologischen Vielfalt, der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts einschließlich der Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, schließlich die dauerhafte Sicherung von Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie Erholungswert von Natur und Landschaft (vgl. 1967, 2000a sowie insbesondere 2017). Entsprechend hat sich das Wort Naturschutz im Laufe der Zeit aus den ursprünglichen Zusammenhängen der konservativen Zivilisationskritik gelöst und ist heute im Kontext zeitgenössischer Ökologiediskurse zu verorten.
In den 1970er Jahren ist zudem vor dem Hintergrund der Entstehung der abstrakten Verwendung von Umwelt das Wort UmweltschutzWGd entstanden (2000b), das deutliche Bedeutungsüberschneidungen mit Naturschutz aufweist. Gleichwohl hat Umweltschutz über das Wort Umwelt aber noch einmal stärkere Konnotationen hinsichtlich der Wechselwirkungen von natürlicher Umgebung des Menschen bzw. der Lebewesen und ihrer jeweiligen Umgebung aufeinander und daraus abgeleitet der Natur als schützenswertes Gut (vgl. hierzu im Detail den Artikel UmweltWGd) – Umweltschutz und Naturschutz sind insofern nicht vollständig synonym.
Literatur
Berning 1964 Berning, Cornelia: Vom „Abstammungsnachweis“ zum „Zuchtwart“. Vokabular des Nationalsozialismus. Berlin 1964.
BfN 2019 Bundesamt für Naturschutz: Hintergrundinfo. 100 Jahre Naturschutz als Staatsaufgabe (1906–2006). o. D. (bfn.de)
Schmitz-Berning 2000 Schmitz-Berning, Cornelia: Vokabular des Nationalsozialismus. Berlin/New York 2000 [Nachdruck der Ausg. Berlin/New York 1998].
Weitere wortgeschichtliche Literatur zu Naturschutz, Heimatschutz.