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Radikalenerlass Berufsverbot · Extremistenbeschluss

Politik & Gesellschaft

Kurz gefasst

Mit Radikalenerlass, Berufsverbot oder Extremistenbeschluss wird Anfang der 1970er Jahre ein bundespolitischer Beschluss bezeichnet, demzufolge vermeintlich verfassungsfeindliche Bewerberinnen und Bewerber aus dem öffentlichen Dienst ausgeschlossen werden sollen. In der öffentlichen Diskussion, die sich als Folge dieses Beschlusses ergibt, lassen sich unterschiedliche Benennungsmotive erkennen. Die Bezeichnung Radikalenerlass setzt sich schließlich durch.

Wortgeschichte

Bezeichnungen eines politisch umstrittenen Beschlusses

Das mit RadikalerWGd zusammengesetzte Wort Radikalenerlass bezieht sich auf eine politische Maßnahme, die in der Bundesrepublik Deutschland Anfang der 1970er Jahre umgesetzt wird. Nach dem genauen Wortlaut des Beschlusses vom 28. 1. 1972 geht es um die Beschäftigung von rechts- und linksradikalen Personen im öffentlichen Dienst. Der Erlass richtet sich insbesondere gegen Personen, die nicht für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintreten, aber in bestimmten Berufen im öffentlichen Dienst Beschäftigung suchen, wie beispielsweise im Schuldienst, bei der Polizei oder in Behörden. Nach dem Beschluss sollen Bewerberinnen und Bewerber für den öffentlichen Dienst auf Verfassungstreue überprüft werden, um Personen mit verfassungsfeindlichem Hintergrund von einer Einstellung abzuhalten. Das Bekanntwerden des Beschlusses führte zu einer hitzig geführten öffentlichen Debatte, in der alternative gruppen- und meinungsspezifische Bezeichnungen für ein und denselben politischen Sachverhalt aufkommen: Jeweils einer eigenen Interpretation unterliegen die Bezeichnungen Radikalenerlass, Berufsverbot und Extremistenbeschluss.

Vorwurfsvokabel und böses Wort

Die älteste Bezeichnung für den im Januar 1972 gefassten Beschluss ist die Zusammensetzung Berufsverbot im Sinne von Untersagung der Berufsausübung; meist mit einer distanzierenden Markierung durch Anführungszeichen (1972a). Die Bezeichnung des Beschlusses mit Berufsverbot erfolgt vor allem aufgrund seiner Auswirkungen auf die Betroffenen, die hier direkt beim Namen genannt werden.1) Der Beschluss wird vor allem wegen dieser indirekten Verbotswirkung als unverhältnismäßige Maßnahme gegenüber politisch aktiven Personen und deswegen als verfassungswidrig abgelehnt (1973a, 1981). Aus diesem Grund wird Berufsverbot in der Literatur auch als Vorwurfsvokabel bezeichnet (vgl. Stötzel 2002, 66), in der öffentlichen Debatte erhält es bis in die Gegenwart den Zusatz das böse Wort (1977a, 2016). Mit dem antonymisch zu Berufsfreiheit verwendeten Ausdruck wird außerdem die Kritik laut, dass es eigentlich um die Verfassungsloyalität geht und insbesondere Mitglieder kommunistischer Parteien von dem Verbot betroffen sind (1980a). Im Sprachgebrauch der DDR wird sich mit der Nennung der Vokabel insbesondere auf das Verbreitungsgebiet, aber auch auf die politischen Gründe des Verbots bezogen (1976a, 1984). Das Wort wird im Laufe der Debatte zudem in andere Sprachen entlehnt (1976b, 1977b). Im Zuge der Kritik aus dem Ausland werden auch Vergleiche zu Praktiken in diktatorisch geführten Ländern angeführt (1976c). Die Überprüfungspraxis wird zudem über längere Zeit mit Gesinnungsschnüffelei gleichgesetzt (1978a, 1991).

Semantische Ambivalenzen und Deutungshoheit

Die Zusammensetzung Extremistenbeschluss (1972b) benennt, anders als Berufsverbot, mit dem Grundwort das verwaltungsjuristische Mittel, den Beschluss, und mit dem Bestimmungswort die Existenz von mit Extremisten betitelten Verfassungsfeinden. In der Konsequenz werden unter politisch extremistischen Bestrebungen solche Zielsetzungen und Aktivitäten von Personen oder Gruppen gezählt, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sind und daher als verfassungsfeindlich eingestuft werden. Auch bringt die Setzung von Anführungszeichen in den Belegen oder der Zusatz so genannt eine Distanzierung zum Ausdruck. Kritisiert wird etwa, dass das Vorgehen gegen Extremisten in Form eines Beschlusses stattfindet und durch diese Form selber die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Frage stellt (1973b). Es ist anzunehmen, dass seit Mitte der 1970er Jahre hauptsächlich Befürworter von Extremistenbeschluss sprechen, womit diese verfassungsfeindliche Aktivitäten, vor allem am linken Rand politischer Bestrebungen, pauschal als extremistisch bezeichnen (vgl. Strauß 1989, 319 und Backes 2006, 197; 1973c, 1978b, 1979, 1980b). In der Literatur wird ferner die Ansicht vertreten, dass die Bezeichnungsdiskussion die politische Intention des Bundesinnenministeriums befördert, am Anfang der 1970er Jahre zu einer einheitlichen Verwendung des Ausdrucks Extremismus zu kommen und diesen, verstanden als Verfassungsfeindschaft, von einer im Rahmen der Verfassung legitimen Radikalkritik begrifflich abzuheben (vgl. Backes 2006, 197 und Ackermann/Behne 2015; s. auch radikalWGd und RadikalismusWGd).

Im Rahmen der Prüfung von Bewerbern für den öffentlichen Dienst setzt sich Radikalenerlass Beschäftigungsverbot für Mitglieder extremistischer Organisationen dann als halboffizielle Bezeichnung durch (1973d). Die Zusammensetzung folgt in der Wortbildung dem Muster von Extremistenbeschluss. Ähnlich wie dieses spielt die Bezeichnung Radikalenerlass darauf an, dass entsprechend dem Bestimmungswort Verfassungsfeinde, hier bezeichnet als RadikaleWGd, im öffentlichen Dienst beschäftigt sind (1976d). Im Laufe der Anwendungspraxis wird deutlich, dass es bei den durch den Radikalenerlass bezeichneten RadikalenWGd jedoch vor allem um Mitglieder legaler, aber unerwünschter Parteien geht, die aus der Beamtenschaft und der Staatsverwaltung ausgeschlossen werden sollen (1973e). Auch die Verknüpfung weiterer Schlag- und Kampfwörter, etwa Terrorismus liegt nicht fern (1978c; vgl. Stötzel/Wengeler 1995, 417). Zudem wird Radikalenerlass von Kritikern des Beschlusses immer wieder mit distanzierendem so genannt oder Anführungszeichen verwendet (1976d). Daneben ersetzen sprachliche Bilder wie Radikalenhatz (1975) oder Schnüffelpraxis (1978d) das eigentliche Wort. Vermutet wird, dass durch diese Distanz schaffenden Verwendungsmuster der Eindruck entstehen soll, es gäbe in der Bundesrepublik keine anderen verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Grundlagen in dieser Überprüfungspraxis, sondern es werde willkürlich mit Beschlüssen regiert, verfolgt und bespitzelt (s. auch Strauß 1989, 319).

Die Bezeugungsfrequenzen von Radikalenerlass und Extremistenbeschluss in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland haben eine Hochphase von 1972 bis ungefähr 1982 (vgl. Abb. 1). Die hohe Frequenz in der Verwendung zeigt, dass Radikalenerlass die Deutungshoheit innerhalb des Diskurses erlangt (vgl. Ackermann/Behne 2015, insbesondere 122–144). Danach verliert die Diskussion an Brisanz, und die Vokabeln büßen ihr Gewicht als Schlagwörter ein, was auch mit den politischen Gegebenheiten zusammenhängt: Der Beschluss wird noch in den 1970er Jahren abgemildert und von Willy Brandt als Irrtum bezeichnet (2021). Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 1995, demzufolge der Radikalenerlass die Menschenrechte verletze, kann die Diskussion als beendet erklärt werden (vgl. Stötzel 2002, 68). Die Erwähnung beider Zusammensetzungen und auch die Nachwirkungen der Diskussion um eine der wohl umstrittensten politischen Maßnahmen der Bundesrepublik ziehen sich jedoch bis in die Gegenwart, wenn es um die Frage der Verfassungstreue geht (2000, 2014, 2022).

Anmerkungen

1) Das Bedeutungsspektrum von Berufsverbot wird in diesem Beitrag nicht vollständig erfasst, sondern konzentriert sich allein auf den hier öffentlich diskutierten Sachverhalt. Unabhängig von dem am 28. 1. 1972 gefassten Beschluss gibt es verschiedene staatliche oder gerichtliche Verbote, die zur Unterbindung der Berufsausübung führen können und als Berufsverbot bezeichnet werden.

Literatur

Ackermann/Behne 2015 Ackermann, Jan u. a.: Metamorphosen des Extremismusbegriffes. Diskursanalytische Untersuchungen zur Dynamik einer funktionalen Unzulänglichkeit. Wiesbaden 2015.

Backes 2006 Backes, Uwe: Politische Extreme. Eine Wort- und Begriffsgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart. Göttingen 2006. (doi.org)

Stötzel 2002 Stötzel, Georg/Thorsten Eitz (Hrsg.): Zeitgeschichtliches Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. Hildesheim 2002.

Stötzel/Wengeler 1995 Stötzel, Georg/Martin Wengeler: Kontroverse Begriffe: Geschichte des öffentlichen Sprachgebrauchs in der Bundesrepublik Deutschland. Berlin u. a. 1995.

Strauß 1989 Strauß, Gerhard: Politik und Ideologie. In: Gerhard Strauß/Ulrike Haß/Gisela Harras (Hrsg.): Brisante Wörter von Agitation bis Zeitgeist. Ein Lexikon zum öffentlichen Sprachgebrauch. Berlin/New York 1989, S. 25–394.

Belegauswahl

[…]Ein solches Recht besteht aber nicht: Der Staat hat im Gegenteil das Recht, sich seine Diener unter denen auszuwählen, die ihn aus Überzeugung bejahen. Wer diesen Grundsatz als „Berufsverbot“ angreift, der erhebt die absurde Forderung, der Staat solle den Revolutionären, die auf die Chance zu seinem Sturz warten, in der Zwischenzeit eine Lebensstellung mit Pensionsberechtigung garantieren!

Die Zeit, 30. 6. 1972, Nr. 26. [DWDS] (zeit.de)

Dennoch sollte man den allgemeinen bildungspolitischen Hintergrund nicht übersehen, zu dem gehört, daß die Bundesregierung ihre Reformversprechen für Schulen und Hochschulen bei weitem nicht erfüllt hat; daß der Numerus clausus niemals schärfer angewandt wurde; daß der Extremistenbeschluß der Ministerpräsidenten das Klima verschlechtert hat.

Die Zeit, 15. 12. 1972, Nr. 50. [DWDS] (zeit.de)

Sie erzeugt eine Atmosphäre der Ungewißheit und der Einschüchterung, in der nur Opportunismus gedeihen kann. Nur durch diese Einschüchterung kann das Berufsverbot in die Breite wirken; unmittelbar kann es immer nur auf kleine Gruppen angewandt werden, die schon aus zahlenmäßigen Gründen die Demokratie nicht gefährden können.

Die Zeit, 24. 8. 1973, Nr. 35. [DWDS] (zeit.de)

Die Mitglieder des bundesdeutschen PEN erklären, daß sie „gemeinsam mit allen kritischen Kräften unserer Öffentlichkeit darauf hinwirken“ werden, daß die durch die Anwendung der sogenannten „Extremistenbeschlüsse“ verletzte freiheitlich-demokratische Rechtsordnung wiederhergestellt wird.

Die Zeit, 20. 4. 1973, Nr. 17. [DWDS] (zeit.de)

Nach dem Extremistenbeschluß der Ministerpräsidenten soll in der Regel schon die bloße Mitgliedschaft in einer Organisation mit verfassungswidrigen Zielen ausreichen, um jemandem den öffentlichen Dienst zu versperren. Halten Sie den Radikalenerlaß nun für verfassungswidrig, oder sind Sie der Ansicht, die DKP verfolge keine verfassungsfeindlichen Ziele?

Der Spiegel, 23. 7. 1973, S. 30. [IDS]

Alle unterliegen mithin einem „Dienstordnungsrecht“, das nur mit neuem Namen das alte Disziplinarrecht fortschreibt. Jeder muß sich, wie bisher, durch sein „gesamtes“ Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen. Ob diese Eignungs-Voraussetzung vorliegt, soll nach Ansicht der Kommission – jedoch differenzierter als im Radikalenerlaß der Ministerpräsidenten – individuell geprüft und festgestellt werden.

Der Spiegel, 7. 5.1973, S. 38. [IDS]

Diese Zweifel rechtfertigen in der Regel die Ablehnung des Einstellungsantrages. Die Gegner des Radikalenerlasses meinen, durch diese Bestimmung solle die „negative Ämterpatronage“, sofern sie ausschließlich auf Mitglieder radikaler Parteien – obwohl diese nicht verboten sind – gezielt ist, legalisiert werden. Sie fordern deshalb, daß jeder auf den Extremistenerlaß gestützte Ablehnungsbescheid eingehend begründet werden müsse.

Die Zeit, 17. 8. 1973, Nr. 34. [DWDS] (zeit.de)

Irgendwann, darin immerhin liegt eine Chance, mögen sich dabei in den Wohnstuben zwischen Ostsee und Thüringer Wald Ansätze für eine Art neuer nationaler Zwiesprache entwickeln, wenn nicht Kontaktverbote ä la DDR und Radikalenhatz à la BRD wieder Schweigen zur ersten gesamtdeutschen Bürgerpflicht machen.

Der Spiegel, 22. 12. 1975, S. 24. [IDS]

Berufsverbot (N.) zunehmend häufig seit den Auseinandersetzungen um den sogenannten Radikalenerlaß der Länderministerpräsidenten in der BRD (Januar 1972) […].

Sprachpflege: Zeitschrift für gutes Deutsch 1976, S. 21.

JEAN AMERY: Das Gedicht hat mich zunächst begeistert, […]vor allem darum, weil ich froh war, daß Alfred Andersch sich nun wieder einmal politisch geäußert hat, und gerade zu dieser verhängnisvollen Sache des Berufsverbots, die bereits im Ausland in die Alltagssprache einging; man spricht in der Tat in Frankreich von „le berufsverbot“, so wie man von „la Weltanschauung“, „le hinterland“, „le blitzkrieg“ spricht.

Die Zeit, 19. 3. 1976, Nr. 13. [DWDS] (zeit.de)

Der französische Sozialistenführer Mitterrand gründet ein Komitee für Bürgerrechte und Berufsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland. Das belgische Staatsfernsehen vergleicht die Zustände in unserem Lande mit denen in Chile, Spanien und Iran. Das Wort „Berufsverbot“ ist nach Rucksack, Sauerkraut und Volkswagen in viele Sprachen eingegangen. In Schweden, Italien, den Niederlanden wettern nicht nur kommunistische Blätter gegen angebliche „Hexenjagden“ und „Neofaschismus“. […]Und Alfred Grosser, ein Freund, Träger sogar des Friedenspreises des deutschen Buchhandels, schreibt in Le Monde: „Jawohl, der Geist der Intoleranz ist dabei, in der Bundesrepublik Schaden anzurichten.“

Die Zeit, 4. 6. 1976, S. 1. [IDS]

Herr Ministerpräsident, seit dem sogenannten Radikalenerlaß vom Januar 1972 wurden in der Bundesrepublik eine halbe Million Bürger auf ihre Gesinnung überprüft. Dabei wurden nur 428 Radikale, angebliche oder tatsächliche, entlarvt. […]Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zu den Folgen: Anpassungsdruck, Rechtsunsicherheit und Duckmäusertum.

Der Spiegel, 28. 6. 1976, S. 33. [IDS]

WALLMANN: Wir sind für einen starken Staat, aber wir sind ganz gewiß gegen einen Polizeistaat. Lassen Sie mich noch eines sagen: Maihofer gehört ja zu denjenigen, die das böse Wort von dem Berufsverbot aufgenommen haben, der von Gesinnungsschnüffelei spricht, wenn es sich darum handelt, Angehörige verfassungsfeindlicher Parteien aus dem öffentlichen Dienst fernzuhalten. […]Gibt es eigentlich eine größere Gesinnungsschnüffelei, als durch das Anbringen einer Wanze nach vorausgegangenem Einbruch die intimste Sphäre eines Menschen auszukundschaften?

Der Spiegel, 14. 3. 1977, S. 26. [IDS]

[…]Die Bonner Korrespondenten meldeten ihren Redaktionen, daß »vor dem Wiederaufleben der Nazi-Praktiken gewarnt« werden müsse, so die »New York Times«. Die linksliberale »Stampa« berichtete, daß es nun »in den deutschen Ministerien künftig verboten« sei, »Melodien zu pfeifen, die als revolutionär angesehen werden«. […]

Der Radikalenerlaß geriet im Ausland zum »Berufsverbot« – eine der wenigen deutschen Vokabeln, die neben »Panzer«, »Blitzkrieg«, »Lager« und »Führer« Eingang in fremde Sprachen gefunden haben. […]»Die Deutschen haben es ja immer verstanden, aus dem Irrsinn ein System zu machen«, kritisierte das Kopenhagener »Ekstra Bladet« Ende Mai letzten Jahres die bundesdeutsche Schnüffel-Bürokratie. Wenige Tage zuvor hatte der französische Sozialistenführer Francois Mitterrand die Gründung eines »Komitees zur Verteidigung der bürgerlichen und beruflichen Rechte in der Bundesrepublik« vorgeschlagen.

Der Spiegel, 22. 8. 1977, S. 76. (spiegel.de)

Carola Stern meinte, eine Woge von Gesinnungsschnüffelei und politischem Meinungsverbot sei über dem Land zusammengeschlagen und habe bürgerliche Freiheitsrechte ausgehöhlt; mit dem „Sprücheklopfen“ sei darum endlich aufzuhören, eine „Bürgerbewegung streitbarer Demokraten“ müsse ins Leben gerufen werden; sie habe dafür zu sorgen, daß „die jetzige Praxis der Berufsverbote beendet“ werde.

Die Zeit, 21. 4. 1978, Nr. 17. [DWDS] (zeit.de)

Mit dem Papier wollen die Elternvertreter „eine Ideologisierung der Kinder im Schulunterricht durch extremistische oder radikale Lehrer“ durch den Staat verhindert wissen. Der Extremistenbeschluß des Bundesverfassungsgerichts müsse Leitlinie für konsequentes Vorgehen bleiben. „Die verschiedentlich diskutierte Lockerung bei der Einstellung von Beamten in den Schuldienst dahingehend, daß Bewerber für den Schuldienst ohne Prüfung gutgläubig als stets verfassungstreu anzusehen seien, halten wir für äußerst bedenklich“, heißt es unter anderem in der Resolution.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. 12. 1978, S. 58.

Die Minderheit, die sich um die Freiheit sorgt, ist unter Anhängern der CDU/CSU fast so groß wie unter Anhängern der SPD und der FDP (27 gegenüber 28 und 31 Prozent). Das erklärt sich daraus, daß häufiger noch als der Radikalenerlaß andere Gründe für die Bedrohung der Freiheit genannt werden. Sie beeindrucken die Deutschen offenbar unabhängig von ihrer politischen Einstellung: * 60 Prozent der Befragten nannten „die Bedrohung durch den Terrorismus“ […].

Der Spiegel, 16. 10. 1978, S. 36. [IDS]

Inzwischen sind die sozialdemokratischen Innen- und Kultusminister dem Wunsch des SPD-Chefs – selbst Mitinitiator des Erlasses – nachgekommen und haben den „Entwurf einer gemeinsamen Stellungnahme zum Problem der Überprüfung der Verfassungstreue“ abgeliefert, der die Schnüffelpraxis in den sozial-liberalen Ländern radikal beschneiden könnte. […]Grundsätzlich, so die neue Tendenz, sei bei Bewerbern für den öffentlichen Dienst von ihrer Loyalität zur Verfassung auszugehen.

Der Spiegel, 21. 8. 1978, S. 80. [IDS]

Nach dem Tod Böhmes trat 1972 ein Mann an die Spitze des DKEG, der die Behauptung, in Bayern werde der Extremistenbeschluß besonders streng durchgeführt, Lügen straft: Dr. jur. Karl-Günther Stempel, ehemaliges Mitglied der NSDAP und SS, heute Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht. […]Freistaatlicher Liberalität verdankt dieser Richter auch, daß er mit seiner Vergangenheit keine Schwierigkeiten hat.

Die Zeit, 23. 2. 1979, Nr. 9. [DWDS] (zeit.de)

Die Forderung nach Verläßlichkeit der Staatsdiener will bevorstehende Taten abwenden, auf die es die Demokratie nicht ankommen lassen kann. Der polemische Sinn des Wortes „Berufsverbot“ ist, die Einstellungsbedingung der Verfassungsloyalität als Strafe für eine Gesinnung hinzustellen. Man darf annehmen, daß kommunistische Beamte von ihrer Parteiführung Weisung haben, sich so lange legal zu verhalten, bis es zu einer Situation kommt, in der ihre Führung den Rechtsbruch für opportun erachtet.

Kriele, Martin: Verfassungsfeindlicher Extremismus/Radikalismus. In: Martin Greiffenhagen (Hrsg.): Kampf um Wörter? Politische Begriffe im Meinungsstreit. München/Wien 1980, S. 351–365, hier S. 358.

Denn spätestens seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Extremistenbeschluß hätte jedes Mitglied der DKP erkennen müssen, daß die Parteimitgliedschaft „objektiv“ mit den Treuepflichten eines Beamten nicht vereinbar sei.

Die Zeit, 4. 4. 1980, Nr. 15. [DWDS] (zeit.de)

Die Westberliner „Initiative für Einhaltung der Verfassung – gegen Berufsverbote“ hat energischen Protest gegen das von den Senatsbehörden angestrebte neue Berufsverbot in der Stadt erhoben, das dem 45jährigen Lehrer Wilhelm Luttermann droht. […]In einem von der Initiative verbreiteten Flugblatt wird aufgefordert, das bevorstehende Gerichtsverfahren gegen Wilhelm Luttermann und weitere drohende Berufsverbote durch eine starke demokratische Bewegung zu verhindern.

Neues Deutschland, 1. 9. 1981, S. 5. [DWDS]

Berufsverbot, das […]o. Pl. in imperial. Staaten angewandte undemokratische Methode, bestimmte, bes. fortschrittliche Personen aus politischen Gründen von beruflicher Tätigkeit im Staatsdienst od. in staatlichen Institutionen auszuschließen […].

Handwörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. Berlin 1984, S. 162.

Die PDS hat sich zur Ent-Scheidung der bayerischen Landesregierung, die PDS als extremistisch einzustufen, offensiv geäußert: „[…]Die deutschen Kommunistinnen haben bekanntlich schon unter schwierigeren Bedingungen für Demokratie, Freiheit und eine humane, gerechte Gesellschaftsordnung gekämpft, als die politischen Ziehväter von Herrn Stoiber noch mit faschistischen Gauleitern am Tisch gesessen haben oder sich’s rosenzüchtend im Nazireich bequem machten.“ Und was wollen sie: „Wir fordern in diesem Zusammenhang die Rehabilitierung und Entschädigung vieler Tausender Opfer der Berufsverbote, von Terrorismushysterie und Gesinnungsschnüffelei in über 40 Jahren BRD, darunter auch viele Kommunistinnen. […][…] Wir fordern schließlich die öffentliche Untersuchung der 40jährigen Praxis der Verfolgung Andersdenkender durch das politische Strafrecht der BRD sowie die von vielen demokratischen Kräften verlangte Auflösung der Geheimdienste der Bundesrepublik Deutschland.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. 8. 1991, S. 12.

Aber ebenso unfair ist sie schon, und sie leistet der Ausbreitung einer muckerhaften und gesinnungskriecherischen Atmosphäre Vorschub, ungut an Extremistenbeschluss und Sympathisantenhysterie erinnernd.

Die Zeit, 20. 12. 2000, Nr. 52. [DWDS] (zeit.de)

Nie fehlt in Ansprachen, in denen er die EU auseinandernimmt, die proeuropäische Passage. Immer verteidigt er zuerst die Religionsfreiheit, bevor er einen „Radikalenerlass“ für muslimische Prediger fordert, die sich nicht ans Grundgesetz halten. Und wenn er von „humanitärer Verantwortung“ für bedrohte Menschen spricht, ist es nicht weit bis zu ihrer Abschiebung.

Die Zeit, 13. 11. 2014, Nr. 47. [DWDS] (zeit.de)

Mit Vertretern anderer Essener Ortsvereine haben sie eine „ Zukunftswerkstatt“ initiiert, um die Arbeit der SPD-Basis zu stärken. Für den Bezirksparteitag haben sie einen Antrag eingereicht, der bereits jetzt zu Aufregung führt: 16 Ortsvereinsvorstände fordern, künftig alle hauptamtlichen SPD-Mitarbeiter aus dem Vorstand des Essener Unterbezirks zu verbannen. Das böse WortBerufsverbot“ macht die Runde. […]André Stinka, Generalsekretär der NRW-SPD, weist den Vorschlag von sich, auch weil er mit den Parteistatuten unvereinbar sei.

die tageszeitung, 6. 5. 2016, S. 7. [IDS]

[…]Bei manchen bestand die Schuld nur darin, dass sie im linken Flügel der SPD oder in der Friedensbewegung zu Hause waren. Wer sich mit ihnen in Zeitungsanzeigen solidarisierte, wurde selbst verfolgt. Brandt entschuldigte sich vier Jahre nach dem Radikalenerlass: „Ich habe mich geirrt.“ Aber da war der Irrtum nicht mehr zu bremsen, der Radikalenerlass galoppierte zwanzig Jahre lang durch die Bundesländer. Als der Bund ihn außer Kraft gesetzt hatte, praktizierten die ihn weiter. Von einer „Hexenjagd auf junge Menschen“ sprach in Bayern Karl-Heinz Hiersemann, Chef der damals noch stattlichen SPD-Landtagsfraktion.

Süddeutsche Zeitung, 23. 1. 2021, S. 5. [IDS]

Radikalenerlass made in Brandenburg“ Herr Schöneburg, Brandenburgs Innenminister Stübgen (CDU) plant einen Verfassungstreue-Check für Beamte.

Der Tagesspiegel, 30. 11. 2022. [DWDS]