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ziviler Ungehorsam

Politik & Gesellschaft

Kurz gefasst

Die Verbindung ziviler Ungehorsam ist eine Lehnübersetzung des englischen civil disobedience, das sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Sie tritt in den 1920er Jahren im Deutschen auf, und zwar zunächst in der Berichterstattung über den gewaltfreien Widerstand der indischen Bevölkerung gegen die britische Kolonialherrschaft. Während der Gebrauch zunächst noch überwiegend in Zusammenhang mit dem Prozess der Dekolonisierung begegnet, wird die Fügung seit den 1980er Jahren auch auf bestimmte Widerstandsformen in deutschsprachigen Ländern bezogen. Der so bezeichnete Protest ist nunmehr nicht allein gegen eine fremde Kolonialmacht, sondern gegen politische Entscheidungen des eigenen (demokratischen) Staates gerichtet etwa in Bezug auf Aufrüstung oder Kernkraft. Der Ausdruck ist dann auch Gegenstand semantischer Kämpfe um die Legitimität solcher Protestformen in einem Rechtsstaat.

Wortgeschichte

Von Indien nach Europa

Die Verbindung ziviler Ungehorsam stellt eine Lehnübersetzung zu englisch civil disobedience dar. In deutschsprachigen Texten wird der Ausdruck zuerst in der Berichterstattung über den von Mahatma Gandhi angeführten gewaltfreien Widerstand gegen die britische Kolonialherrschaft greifbar (1922). Bis ca. 1960 wird er in Zusammenhang mit dem Dekolonisierungsprozess weiterhin in Bezug auf (ehemalige) kolonisierte Gebiete wie etwa Indien oder die Staaten Afrikas verwendet (1939, 1957, 1958, 1959). In der Folge löst sich die Verbindung allmählich aus den ursprünglichen Zusammenhängen; sie wird dann in breiterer Anwendung etwa für Aktionen gegen die atomare Aufrüstung in England (1961), für einzelne Widerstandshandlungen im Rahmen des Nordirlandkonflikts (1971a), für den Widerstand gegen das syrische Baath-Regime (1980) sowie allgemein für Kriegsdienstverweigerung als Form pazifistischen Widerstands gebraucht (1971b, 1981a). Während die Verbindung 1968 noch als in Deutschland nicht heimisch gilt, sind seit den 1970er Jahren zunehmend Bezeugungen greifbar, in denen auch Sachverhalte im deutschsprachigen Raum thematisiert werden (1971b, 1977, ggf. auch 1969). Ziviler Ungehorsam hat sich somit – rund fünfzig Jahre nach dem ersten Auftreten und damit vergleichsweise spät – von einem linguistischen Exotismus zu einem geläufigen Ausdruck des Deutschen entwickelt. Nennenswerte Verbreitung findet die Verbindung allerdings erst seit den 1980er Jahren, hier vor allem im Rahmen der Anti-Atom-Bewegung (1981b, 1994) sowie der Friedensbewegung (1981a, 1983a, 1983b; vgl. auch Laker 1986, 98–109 und Braune 2017, S. 28–31).

Auch im Zusammenhang mit der Wendezeit in der DDR werden entsprechende Protestformen thematisiert und diskutiert (1992). Mit seiner zunehmenden Verbreitung im Deutschen und dem Wechsel des Bezugsrahmens von der Dekolonisierung hin zu den politischen Auseinandersetzungen im Rechtsstaat ist auch ein semantischer Wandel verbunden: Steht zunächst der gewaltfreie Widerstand gegen ein ausbeuterisches Kolonialregime im Vordergrund des Gebrauchs, so wird der Ausdruck nunmehr auf den Widerstand allgemein bezogen: Er kann nun sowohl Proteste gegen koloniale und diktatorische Verhältnisse als auch Proteste gegen politische Entscheidungen in Demokratien bezeichnen. Damit hat eine Bedeutungserweiterung des Ausdrucks stattgefunden.

Schon seit den 1980er Jahren wird dieser vermehrte Gebrauch von einer intensiv geführten Debatte über Legitimität und Grenzen der so bezeichneten Protestformen in einem Rechtsstaat begleitet (1983c, 1983d, 1998). Auch die Rechtswissenschaft und die Rechtsphilosophie befassen sich dementsprechend ab den 1980er Jahren intensiver mit den juristischen und ethischen Fragen, die Widerstandsaktionen dieser Art aufwerfen (so prominent Habermas 1983). Hier wird auch auf den deutlich älteren englischsprachigen Forschungsdiskurs zurückgegriffen, der die Frage der civil disobedience bereits im Zusammenhang mit der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und den Protesten gegen den Vietnam-Krieg intensiv diskutiert hatte (vgl. Laker 1986, 11; Braune 2017, 14).

Civil disobedience und Satyagraha bei Thoreau und Gandhi

Das englische civil disobedience, das Grundlage für die Lehnübersetzung ins Deutsche ist, hat eine bis ins 16. Jahrhundert zurückreichende Wortgeschichte, in der mehrere Stränge zusammenlaufen (s. 3OED unter civil). Der Ausdruck steht zunächst, und zwar mit deutlich pejorativem Einschlag, für eine Rebellion des Volkes gegen die Obrigkeit. Erst 1866 findet sich civil disobedience erstmals mit positiver Wertung, und zwar im Sinne einer gewaltlosen Gehorsamsverweigerung gegenüber staatlichen Anordnungen, hier speziell als Weigerung, einem durch das Unrecht der Sklaverei kompromittierten Staat Steuern zu zahlen (Laker 1986, 24). Autor des betreffenden Textes, der zuerst 1849 unter dem Titel Resistance to Civil Government erschien, ist der amerikanische Schriftsteller H. D. Thoreau. Der dann später im englischen Sprachraum breit rezipierte Ausdruck civil disobedience stammt indes nicht von Thoreau selbst, sondern wird erst 1866 in einer postumen Werkausgabe eingefügt (vgl. Laker 1986, S. 21 sowie 3OED unter civil).

Für die Verbreitung des Wortes im Englischen und dann auch seine Übertragung ins Deutsche spielt die Berichterstattung über den von Gandhi angeführten Widerstand gegen die britische Kolonialherrschaft in Indien eine zentrale Rolle. So gehen mehrere Eigenschaften des Konzepts direkt auf Gandhis Verständnis von civil disobedience zurück. Kennzeichnend für sein Konzept sind (nach Laker 1986, 46–47) vor allem die unbedingte Gewaltlosigkeit des Protestes sowie der klar erkennbare Unrechtscharakter der Vorschriften und Gesetze, gegen die protestiert wird bzw. die im Zuge des Protestes verletzt werden (Civil disobedience … becomes a sacred duty when the State has become lawless, zitiert nach Laker 1986, 43). Eine wichtige Funktion erfüllt auch die Bereitschaft der Protestierenden, die Strafe für den Verstoß zu akzeptieren und durch Leidensbereitschaft sowohl die Berechtigung des Anliegens als auch die Aufrichtigkeit des Protestes zu bezeugen (s. Laker 1986, 46).

Die civil disobedience im Sinne Gandhis entspricht partiell dem von Gandhi entwickelten Konzept des Satyagraha, das wörtlich als Bestehen auf Wahrheit oder Suche nach Wahrheit wiedergegeben werden kann. Gleichwohl ist Satyagraha als umfassendes Modell menschlicher Lebensführung zu begreifen, zu dem sich civil disobedience lediglich als Teilaspekt unterordnet (vgl. Laker 1986, 46 sowie den Eintrag Satyagraha in der Britannica). Gandhi hat somit das englische civil disobedience durchaus als Ausdruck für bestimmte Widerstandsformen akzeptiert, hat die Verbindung, die letztlich eine Fremdbezeichnung darstellt, gleichzeitig aber dadurch relativiert, dass er ihr mit dem Begriff Satyagraha eine Eigenbezeichnung entgegengestellt hat.

Die Verbindung und ihre Komponenten

Die Verbindung ziviler Ungehorsam zeigt eine Reihe von semantischen Besonderheiten. So weicht das die Verbindung tragende Substantiv UngehorsamDWDS in mehrfacher Hinsicht von dessen sonst üblicher Bedeutung ab: In Kombination mit zivil wird Ungehorsam positiv bewertet, was für Bildungen auf Un- unüblich ist. Diese fügungsinterne Bedeutungsverbesserung wies übrigens schon die englische Entlehnungsgrundlage auf. Ferner bezeichnet Ungehorsam in der Verbindung mit zivil nicht so sehr eine Eigenschaft, eine Haltung oder einen persönlichen Charakterzug als vielmehr konkrete Handlungen, so etwa eine Blockade, einen Sitzstreik oder auch eine Baumbesetzung (1991, 2018, 2004). Damit hat sich der Fokus der Bedeutung im Zuge einer metonymischen Verschiebung von einer Eigenschaft auf Handlungen verlagert, die aus einer solchen Eigenschaft erwachsen.

Nicht nur das Substantiv Ungehorsam, sondern auch das Adjektiv zivilWGd zeigt fügungsinterne semantische Besonderheiten, da auch dessen Bedeutung nicht ohne weiteres mit einer der Lesarten des für sich stehenden Wortes in Einklang zu bringen ist. Die gegenwartssprachliche Hauptbedeutung von zivil ist nicht-militärisch. Die Bedeutung von ziviler Ungehorsam wäre indes nur unzureichend als nicht-militärischer Widerstand wiedergegeben – die Gewaltfreiheit des zivilen Ungehorsams als nicht-militärisch zu bezeichnen, ist unangebracht, denn selbstverständlich ist mit militärischen Mitteln praktizierter Widerstand etwa gegen Windräder oder Atomkraftwerke keine ernstzunehmende Alternative. Das Adjektiv in ziviler Ungehorsam ist somit semantisch nicht an wendungsexterne Gebräuche angebunden. Dies schließt nicht aus, dass Sprecherinnen und Sprecher assoziative Verbindungen der Bedeutungen von zivil herstellen und den Mehrwortausdruck auf dieser Weise zu deuten suchen.

Für diese Deutungen kann auch etymologisches Wissen herangezogen werden, indem etwa eine Verbindung mit englisch civil und vor allem mit lateinisch cīvīlis bürgerlich hergestellt wird. Dies ist auch in den Rechtswissenschaften der Fall, wenn etwa Laker 1986, 134 feststellt: Das Wort zivil bringt […] die staatsbürgerliche Dimension zivilen Ungehorsams zum Ausdruck. Letztlich stellt dies einen Versuch dar, eine aus der Gegenwartssprache heraus unverständliche Fügung mit Hilfe von historischem Sprachwissen durchsichtiger zu machen.

Literatur

Braune 2017 Braune, Andreas: Zur Einführung. Definitionen, Rechtfertigungen und Funktionen des zivilen Ungehorsams. In: Ders. (Hrsg.): Ziviler Ungehorsam. Texte von Thoreau bis Occupy. Stuttgart 2017, S. 9–38.

Britannica Encyclopedia Britannica. (britannica.com)

Habermas 1983 Habermas, Jürgen: Ziviler Ungehorsam – Testfall für den demokratischen Rechtsstaat. In: Peter Glotz (Hrsg.): Ziviler Ungehorsam im Rechtsstaat. Frankfurt a. M., S. 29–53.

Laker 1986 Laker, Thomas: Ziviler Ungehorsam. Geschichte – Begriff – Rechtfertigung. Baden-Baden 1986.

3OED Oxford English Dictionary. The Definite Record of the English Language. Kontinuierlich erweiterte digitale Ausgabe auf der Grundlage von: The Oxford English Dictionary. Second Edition, prepared by J. A. Simpson and E. S. C. Weiner, Oxford 1989, Bd. 1–20. (oed.com)

Belegauswahl

Gandhi soll vorübergehend auf seine Politik des zivilen Ungehorsams verzichtet haben.

Münchner Neueste Nachrichten (Morgen-Ausgabe), 22. 2. 1922, S. 1. [DWDS]

Gandhi veröffentlichte eine Erklärung anläßlich des Scheiterns der englisch-indischen Verhandlungen, worin er die Ausschreibung von Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung[…], die dann die Ausarbeitung einer indischen Nationalversammlung übernehmen solle, fordert. Gleichzeitig empfiehlt er den zivilen Ungehorsam.

Archiv der Gegenwart 9, 14. 11. 1939, S. 4314. [DWDS]

1940 rief Gandhi seine Landsleute aus Protest gegen die Beteiligung Britisch-Indiens am Weltkrieg zum zivilen Ungehorsam (Satyagraha) auf, und er bestimmte Vinoba Bhave dazu, als erster „Satyagrahi“ – gleichsam symbolisch für ganz Indien – ein britisch-indisches Gesetz zu brechen und damit seine Verhaftung zu provozieren.

Die Zeit, 27. 6. 1957, Nr. 26. [DWDS] (zeit.de)

Die Delegierten einigten sich außerdem darüber, Mittel zur Unterstützung von Kampagnen des passiven Widerstandes und des zivilen Ungehorsams in Südafrika zur Verfügung zu stellen, um dort gleiche Rechte für die Farbigen zu erzwingen.

Archiv der Gegenwart 28, 17. 12. 1958, S. 7454. [DWDS]

Am 30. Oktober sprach laut AFP der Leiter der MNC (Mouvement National Congolais), Patrice Lumumba, in Stanleyville vor etwa 3000 Afrikanern, verlangte die unmittelbare und definitive Trennung des Kongo von Belgien und forderte die Afrikaner zum zivilen Ungehorsam auf.

Archiv der Gegenwart 29, 9. 11. 1959, S. 8047 [ff.]. [DWDS]

Diesmal forderte er [der Philosoph und Mathematiker Bertrand Russell] heraus zu „zivilem Ungehorsam“, wie die Juristen einen von ihm geplanten und mitorganisierten Sitzstreik der Atomwaffengegner vor dem Parlament nennen.

Die Zeit, 15. 9. 1961, Nr. 38. [DWDS] (zeit.de)

Der Begriff der civil disobedience, des zivilen Ungehorsams, ist in Deutschland nicht heimisch.

Die Zeit, 3. 5. 1968, Nr. 18. [DWDS] (zeit.de)

Sinn solcher gewaltfreier Aktionen ist es, den Gegner davon zu überzeugen, möglicherweise auch dazu zu zwingen, bestimmte politische Handlungen vorzunehmen. Die Skala der gewaltfreien Aktionen ist äußerst vielfältig; sie reicht von der Aufklärung durch Flugblätter bis zum umfassenden zivilen Ungehorsam, der wiederum zum Aufbau eines alternativen Herrschaftsapparates führen kann.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26. 4. 1969, S. 13.

Innerhalb Nordirlands macht sich eine Bewegung des zivilen Ungehorsams breit; keine Mieten, keine Steuern sollen gezahlt werden.

Die Zeit, 20. 8. 1971, Nr. 34. [DWDS] (zeit.de)

Daher kann er nur ein Knäuel von Ablehnungsgesten, „mit denen den Herrschenden die Machtmittel entzogen werden“ anbieten: legale Nichtzusammenarbeit, ziviler Ungehorsam und die zivile Usurpation mit Hilfe von teach-ins, sit-ins, go-ins und Soziodramen.

Papcke, Sven: Gewaltlos, aber revolutionär? In: Hans-Jürgen Haug/Hubert Maessen (Hrsg.): Kriegsdienstverweigerer – Gegen die Militarisierung der Gesellschaft. Frankfurt a. M. 1971, S. 134. [DWDS]

Auch wenn der revolutionäre Kampf gegen die staatliche Ordnung abgelehnt wird, so ist doch ganz schnell — vorschnell — das Wort vom „Obrigkeitsstaat„, vom „Widerstand gegen staatliche Machtentfaltung“, vom „zivilen Ungehorsam" zur Stelle.

Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll Nr. 08/22 vom 20. 4. 1977, S. 1451. [DWDS] (bundestag.de)

Attentate, Streiks, ziviler Ungehorsam, fast ein Klima der Volkserhebung: Die Beobachter sind sich einig, daß das Baath-Regime in den vergangenen zehn Jahren noch nie einer so schweren Bedrohung begegnen mußte wie zurzeit. Isoliert nach außen, […]befehdet im Inneren, festgefahren im Libanon und dazu mit dem Alptraum Israel belastet – Hafis el-Assad sucht immer offener die Rettung in Moskau.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25. 3. 1980, S. 2.

Eben erst hat sich in Berlin ein Arbeitskreis Kriegssteuerverweigerung auf getan. Alle diese Aktionen laufen unter dem Etikett „ziviler Ungehorsam“, sollen gewaltlos sein. Die Kundschafter der Bundeswehr hatten es in letzter Zeit allerdings schwer, zwischen gewaltfreien und gewaltorientierten Handlungen zu unterscheiden.

Die Zeit, 9. 10. 1981, Nr. 42. [DWDS] (zeit.de)

Unabsehbar sind die Folgen allerdings auch, wenn die Schweiz auf den Bau dieses Reaktors verzichtet. Zwar steht dann nicht unbedingt ziviler Ungehorsam mit massenhaften Steuerstreiks und Wehrdienstverweigerung oder gar gewalttätiger Widerstand zu befürchten, sondern ein Raubzug auf die Schweizer Bundeskasse.

Der Spiegel, 12. 10. 1981, S. 210. [IDS]

Wenn ich im Sinne der KSZE-Erklärung hiermit auch Herrn Honecker aufrufe, in der DDR endlich zuzulassen, was er hierzulande bejubelt, dann forderte ich ebenso Herrn Kohl und Kompanie auf, endlich zu begreifen, daß wir mit unserem gewaltfreien Widerstand, mit unserem zivilen Ungehorsam […]— den Sie, Herr Wörner, in diesem Herbst und diesem Winter und auch im nächsten Jahr erleben werden — in der Tradition von Martin Luther King und Mahatma Gandhi nicht Gewalt anwenden, […]wie Herr Engelhard meint, sondern endlich das Nein zu Krieg, zu Aufrüstung und Militarisierung […]auf diesem deutschen und europäischen Boden aussprechen.

Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll Nr. 10/23 vom 16. 9. 1983, S. 1616. [DWDS] (bundestag.de)

Die SPD Schleswig-Holsteins verlangt einstimmig den Verzicht auf die Nachrüstung und setzt sich für einseitige Abrüstungsschritte ein. […]BAHR hatte vorgeschlagen, die Entscheidung über die Stationierung hinauszuschieben und bis zum Ende der Genfer Verhandlungen „die Nerven zu behalten.“ Zugleich befürwortet die Partei den politischen Protest gegen die Stationierung bis hin zum „symbolischen zivilen Ungehorsam.“

Archiv der Gegenwart 53, 28. 9. 1983, S. 27024 [ff.]. [DWDS]

Auf einem anderen Blatt steht freilich die Frage, ob denn heute eine Situation gegeben ist, in der Regelverletzungen als ziviler Ungehorsam gerechtfertigt werden könnten. Bei der zu erwartenden Aufstellung von Raketen handelt es sich offensichtlich nicht um jene Art von Unrecht, gegen das Martin Luther King und die amerikanische Bürgerrechtsbewegung angegangen sind, das heißt um eine offensichtliche Verletzung von Grundrechten. […]Ebensowenig handelt es sich um jene Art von Unrecht, gegen den sich seinerzeit der Anti-Vietnam-Protest gerichtet hat.

Die Zeit, 23. 9. 1983, S. 9. [IDS]

In einem politischen Montag-Gespräch in der Pädagogischen Hochschule steht die Frage, „wieviel Ghandi“, wieviel ziviler Ungehorsam nach dem Vorbild des Inders in Schwäbisch Gmünd möglich ist. Der PH-Professor Rudolf Wichard, Soziologe, stellt sie nur rhetorisch: „Überhaupt keiner“, weil ein solcher Widerstand „in diesem Kulturkreis nicht lebbar“ sei.

Der Spiegel, 11. 7. 1983, S. 39 („Lieber die Pershing im Garten“).

Nicht bloß „Latsch-Demos“ sind angesagt, auch alle Spielarten des zivilen Ungehorsams, die Theoretiker der Bewegung vor zehn Jahren ersannen, vor allem Menschenketten und Blockaden.

Die Zeit, 25. 1. 1991, Nr. 05 („Die Kinder des Friedens“) [DWDS] (zeit.de)

Vergebens der Hinweis von Horst Peter (SPD) oder Konrad Weiß (Bündnis 90), es seien schließlich auch in Ostdeutschland Aktionen des zivilen Ungehorsams gewesen, welche die Demokratisierung ermöglichten.

Die Zeit, 15. 5. 1992, Nr. 21. [DWDS] (zeit.de)

[…]Mit dem ‚Die-in‘ habe man deutlich machen wollen, erklärte ihr Sprecher Rolf Hiemer gestern vor Gericht, daß die Atomindustrie ‚ein Verbrechen gegen Schöpfung und Menschheit‘ verübe und dabei über Leichen gehe. Nach einem protokollierten Gespräch mit der Gundremminger Kraftwerksleitung, die jede Gesundheitsgefährdung als Folge der Tschernobyl-Katastrophe bestritten habe, sei ihnen ‚ziviler Ungehorsam‘ und ‚gewaltfreier Widerstand als staatsbürgerliche Pflicht‘ erschienen. […]Er verstehe solche Aktionen als ‚Dialog der Schwächeren mit anderen Mitteln‘. Eine ‚Rechtsprechung, die die Kernkraft vor den Bürgern schützt‘ und nicht umgekehrt, ‚möchte ich nicht achten‘, sagte Hiemer.

Süddeutsche Zeitung, 30. 9. 1994, S. 50. [IDS]

Es geht ausschließlich um die Frage, welche Rolle die unter der Tarnbezeichnung „ziviler Ungehorsam“ laufenden, strategisch geplanten, wiederkehrenden Rechtsbrüche in unserer Gesellschaft haben.

Protokoll der Sitzung des Landtags von Baden-Württemberg am 2. 4. 1998. Plenarprotokoll. Stuttgart 1998, S. 3598. [IDS]

Bsirske warnte die Verdi-Mitglieder davor, sich an „Aktionen im Rahmen des zivilen Ungehorsams“ wie einer Besetzung von Arbeitsagenturen zu beteiligen.

Berliner Zeitung, 11. 9. 2004. [DWDS]

Eine Baumbesetzung sei ein Akt des gewaltlosen, zivilen Ungehorsams, der letzte Ausweg.

Die Zeit, 1. 1. 2018, Nr. 01. [DWDS] (zeit.de)