Wortgeschichte
Soziabel – Soziabilität – Soziabilisierung
Die beiden Wörter Soziabilität und Soziabilisierung sind Wortbildungen zum älteren soziabelWGd, das im Deutschen seit dem 17. Jahrhundert mit der Bedeutung gesellig, umgänglich
bezeugt ist (1691) und in jüngerer Zeit und insbesondere in der Soziologie auch fähig, willig, sich in die Gesellschaft einzupassen
(2005b) bedeuten kann. Etymologisch lassen sich alle drei Wörter auf das lateinische sociabilis vereinbar, gesellig-verträglich
zurückführen (vgl. 1DFWB 4, 287–288).
Soziablilität: Von der Alltagssprache in die Fachsprache
Soziabilität ist seit dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts bezeugt (1828, 1860) und hat seither die Bedeutungen Kontaktfreudigkeit, Geselligkeit, Umgänglichkeit
(1846b), es wird bereits früh aber auch schon in Bezug auf die Fähigkeit und den Willen des Menschen, sich in die Gesellschaft einzugliedern, verwendet (1846a). Ausgehend von solchen Verwendungen wird das Wort seit der Jahrhundertwende in verschiedene Fachsprachen übernommen, so insbesondere in die der Psychologie (1934, 2005a) sowie der Soziologie (1903, 1999), in der Soziabilität nunmehr Fähigkeit, sich der Gesellschaft anzupassen
bedeutet (vgl. 1DFWB 4, 288). Daneben steht im 19. Jahrhundert noch die heute veraltete Bedeutung Vereinbarkeit, Passung
(1871).
Während des gesamten 19. Jahrhunderts ist die Bezeugungsfrequenz von Soziabilität insgesamt gering, erst seit der Jahrhundertwende begegnet das Wort deutlich häufiger. Auffallend ist darüber hinaus, dass Soziabilität sowohl gegenüber dem älteren soziabel als auch gegenüber dem erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts geprägten Soziabilisierung eine deutlich höhere Bezeugungsfrequenz hat (vgl. die Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers).
Soziabilisierung: Ein Wort der Fachsprache
Neben Soziabilität tritt als weitere Wortbildung Soziabilisierung. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ganz sporadisch bezeugt (1939), findet Soziabilisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dann etwas weitere Verbreitung (1969a, 2002). Anders als Soziabilität ist Soziabilisierung von Beginn an ein fachsprachliches Wort. Das Deutsche Fremdwörterbuch vermerkt für Soziabilisierung 1978 jedenfalls in neuester Zeit […] fachsprachl. in der Soziologie verwendete[s] Substantiv […] als Bezeichnung für die erste Phase der Sozialisation
(1DFWB 4, 288; 1969a, 2009). Man wird wohl ergänzen müssen: Soziabilisierung ist ein Konzept, das gerade im Übergangsbereich von Soziologie und Psychologie zu verorten ist; das Wort Soziabilität wird insofern auch in beiden Fachsprachen verwendet (1969b).
Die Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers bestätigt im Übrigen einen Anstieg der Bezeugungsfrequenz seit den 1950er Jahren mit einem deutlichen Höhepunkt in den 1970er Jahren, zeigt danach abgesehen von einem kleineren Anstieg in den 2000er Jahren aber auch einen Rückgang der Bezeugungsfrequenz.
Soziabilisierung – Soziabilität. Bestimmung eines Verhältnisses
Gegenüber Soziabilität als Fähigkeit zur Anpassung an die Gesellschaft wird mit Soziabilisierung über die Endung -ierung gerade das Prozesshafte betont, mithin gerade die Entwicklung hin zur Fähigkeit, sich in die Gesellschaft einzugliedern. Anders formuliert: Die Soziabilisierung führt zur Soziabilität des Menschen.
Literatur
1DFWB Schulz, Hans/Otto Basler: Deutsches Fremdwörterbuch. Weitergeführt im Institut für deutsche Sprache unter der Leitung von Alan Kirkness. Bd. 1–7. Straßburg bzw. Berlin 1913–1988. (owid.de)