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Asylrecht · Kirchenasyl Asylantrag · Asylverfahren

Politik & Gesellschaft

Kurz gefasst

Mit Asylrecht und Kirchenasyl sind seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zwei Komposita nachweisbar, die zunächst beide den Schutz von Verfolgten in einem unverletzbaren (sakralen) Bezirk nach vormodernem Recht bezeichnen. Asylrecht wird ab dem 19. Jahrhundert auch auf den Schutz von politisch Verfolgten in anderen als ihren Herkunftsstaaten bezogen und bildet die neue Bedeutung Schutz und Aufenthalt politisch Verfolgter betreffendes Recht aus. Damit treten Asylrecht und Kirchenasyl semantisch zunehmend auseinander. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden in diesem Zusammenhang die Komposita Asylantrag und Asylverfahren gebildet. In den 1990er Jahren erhält Kirchenasyl die neue Bedeutung vorübergehende Aufnahme besonders von der Ausweisung bedrohter Asylbewerber in kirchlichen Gebäuden, die keine rechtliche Bedeutungsdimension hat.

Wortgeschichte

Asylrecht und Kirchenasyl: Zwei neue Komposita des 18. Jahrhunderts mit ähnlichem Bedeutungsspektrum

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird zum bereits seit dem 15. Jahrhundert im Deutschen nachweisbaren AsylWGd das Kompositum Asylrecht gebildet (1757). Es begegnet zunächst in Bezug auf den Schutz von Verfolgten, auch Kriminellen, in einem unverletzbaren (sakralen) Bezirk nach vormodernem Recht (1757, 1790, 1791, auf die vorchristliche Zeit bezogen zudem 1798). Diese Lesart schließt entsprechend an die Bedeutung Zufluchtsort; Schutz (für Verfolgte) von Asyl an. Es kann sich dabei sowohl auf das Recht etwa der Kirche, Schutz zu gewähren (1757), als auch auf den berechtigten Anspruch Verfolgter auf Schutz (1791) beziehen. In dieser für vormoderne, christliche wie vorchristliche, Zufluchtsorte verwendeten Lesart begegnet Asylrecht bis in die Gegenwart (1836, 1854, 1892, 1909, 1971, 1994). Gleichwohl ist diese Lesart heute selten.

Daneben ist seit Ende des 18. Jahrhunderts auch das Kompositum Kirchenasyl belegt (1792). Das Kompositum bezeichnet konkret den Schutz von Verfolgten, auch Kriminellen, in einem unverletzbaren (sakralen) Bezirk in Klöstern, Kirchen, Schulen u. ä. im vormodernen Recht (vgl. auch 2DFWB unter Asyl). Bezeugungen von Kirchenasyl im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert beziehen sich – mindestens in Teilen bereits in historischer Perspektive – hierauf (1802, 1840). Möglicherweise ist die Bildung und Verbreitung des Kompositums auch vor dem Hintergrund der Entstehung neuer Lesarten für AsylWGd im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu verstehen: Da Asyl nun neben Zufluchtsstätte für Verfolgte auch Heim für sozial Benachteiligte sowie Zuflucht für politisch Verfolgte in einem anderen als dem Herkunftsstaat bedeuten kann, ermöglicht die Bildung des Kompositum Kirchenasyl eine präzisere Benennung der Art des gewährten Asyls. Insgesamt bleibt das Wort jedoch selten.

Asylrecht: Bezug auf politisch Verfolgte und die Entstehung der rechtlichen Bedeutung

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts treten Asylrecht und Kirchenasyl insofern semantisch auseinander, als Asylrecht eine neue Bedeutung ausbildet, die heute als die Hauptbedeutung des Kompositums gelten kann. So wird das Wort im Verlauf des 19. Jahrhunderts nicht mehr nur auf den Schutz von Verfolgten in unverletzbaren (sakralen) Bezirken bezogen, sondern nunmehr auch auf den Schutz politisch Verfolgter in einem anderen als dem Herkunftsstaat (1848, 1859). Damit wird es von einem kirchlichen zu einem weltlichen Recht. Diese Entwicklung verläuft parallel zur wortgeschichtlichen Entwicklung des Substantivs AsylWGd ab der Wende zum 19. Jahrhundert. Beide Entwicklungen sind wohl vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen, namentlich der Revolutionen und der daraus resultierenden Flucht politisch Verfolgter, sowie damit verbunden der Entstehung und Entwicklung eines Asylrechts in Europa im Allgemeinen und im deutschsprachigen Raum im Speziellen zu verstehen.

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Das moderne Asylrecht entsteht ab dem 19. Jahrhundert und in Zusammenhang mit der Entstehung der Nationalstaaten in Europa (vgl. Oltmer 2016; die nachfolgenden Ausführungen folgen Oltmers Darlegung). Schutz gewährt haben Staaten politisch Verfolgten dabei zunächst, indem sie diese zum einen im Rahmen von Regelungen der allgemeinen Einwanderung ohne Berücksichtigung der Immigrationshintergründe ins Land ließen. Zum anderen war

die Gewährung eines spezifischen Rechtsstatus für Flüchtlinge möglich. Das geschah in der Regel als eine Ausnahme innerhalb von Vorgaben zur Auslieferung ausländischer Staatsangehöriger und bot damit Schutz vor der Überstellung an den Herkunftsstaat. [Oltmer 2016]

Entsprechend war politisches Asyl im engeren Sinn, so Oltmer, im 19. Jahrhundert zumeist ein Bestandteil des Auslieferungsrechts. Gesetzlich festgeschrieben wurden politisch motivierte Delikte als Nicht-Auslieferungsgrund zunächst in Belgien und Frankreich, dies wohl als Folge der Revolutionen von 1830; das belgische Auslieferungsgesetz von 1833 entwickelte dabei Vorbildcharakter für Europa. Gleichwohl blieb die Macht der aufnehmenden Staaten gegenüber den Asylsuchenden faktisch unbeschränkt, die Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts gab es nicht.

Erstmals zu einem individuellen Recht wurde das Asylrecht 1948 vor dem Hintergrund der Erfahrungen der nationalsozialistischen Diktatur in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen: Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen. (1948) In der Bundesrepublik Deutschland wird das Grundrecht auf Asyl zudem in das Grundgesetz aufgenommen: Politisch verfolgte genießen Asylrecht. (1949)

Vor dem Hintergrund der Entwicklung rechtlicher Regelungen zum Asyl weisen bereits Verwendungen des Kompositums im 19. Jahrhunderts entsprechende Bedeutungsaspekte auf (1862). In Zusammenhang mit Verwendungen von Asylrecht in Bezug auf politische Flüchtlinge entsteht entsprechend die neue Bedeutung Schutz und Aufenthalt politisch Verfolgter betreffendes Recht, die zunächst auf entsprechende Regelungen im europäischen Ausland bezogen wird (1876, 1888, 1914) oder in recht allgemeiner Verwendung in rechtlichen Diskussionen begegnet (1881, 1898, 1904).

Die rechtliche Dimension kann sich zum einen auf den Zuflucht gewährenden Staat bzw. dessen gesetzliche Regelungen beziehen (1928, 1950). Zum anderen beinhaltet sie spätestens vor dem Hintergrund eines in den Allgemeinen Menschenrechten sowie im bundesrepublikanischen Raum im Grundgesetz verankerten Grundrechts auf Asyl für politisch Verfolgte ein auch kodifiziertes Recht der politisch Verfolgten auf Asyl (1948, 1949, 1967; zuvor bereits 1859). Den beiden Verwendungen liegt damit letztlich eine unterschiedliche Bedeutung des Grundwortes Recht zugrunde (vgl. auch DWDS unter RechtDWDS). Gleichwohl sind die Grenzen zwischen den Lesarten Asylregelungen und Recht auf Asyl gerade dort, wo sich gesetzliche Rahmenbedingungen vor dem Hintergrund einer wissensgeschichtlich bereits bestehenden Vorstellung eines Rechts auf Schutz für politisch Verfolgte allererst herausbilden, nicht immer ganz klar zu bestimmen (1881).

Das in Deutschland zunächst vornehmlich in Bezug auf das Ausland – hier auch auf die Schweiz – verwendete Asylrecht begegnet ab den 1920er Jahren zunehmend auch in Verwendungen, die konkreter auf Deutschland und dessen Asylrecht bezogen sind (1921, 1922a, 1922b, 1924), bevor das Wort zu NS-Zeiten wieder vermehrt in Zusammenhang mit dem Ausland gebraucht wird (1933, 1936). Diese Entwicklungen sind wohl vor dem Hintergrund entsprechender Gesetzgebungsdebatten ebenso wie historischer Ereignisse zu begreifen. Auffällig ist schließlich eine Verwendungsspitze des Kompositums in den 1990er Jahren, die wohl ihrerseits vor allem vor dem Hintergrund entsprechender Diskurse der Zeit zu verstehen ist (vgl. Abb. 1 sowie die entsprechende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers).

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War Deutschland vom 19. Jahrhundert bis zum Ende des Ersten Weltkriegs eher Ausgangs- als Zufluchtsort für politisch Verfolgte und unter nationalsozialistischer Herrschaft noch viel stärker Ausgangspunkt für Fluchtbewegungen, wird 1949 mit Artikel 16 Absatz 2 Satz 2 Politisch Verfolgte genießen Asylrecht ein weitreichender Schutz als Rechtsnorm in das Grundgesetz aufgenommen (vgl. Poutrus 2023). Gleichwohl zeichnet sich erst allmählich eine sich liberalisierende Asylpraxis ab (zu den Details Poutrus 2023), die in Verbindung mit einer veränderten Migrationspolitik, genauer mit der Wende von der aktiven Anwerbung zur restriktiven Zuwanderungsbeschränkung 1973, sowie mit einem Wandel der modernen Kommunikations- und Transportmittel ab den 1970er Jahren zu einem Anstieg der Asylanträge in der Bundesrepublik führte (Poutrus 2023). Der Anstieg der Asylanträge in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts führt diskursgeschichtlich zu einer Abwehrhaltung und Politisierung der Asylpolitik: Ähnliche Abwehrhaltungen traten gegenüber der Aufnahme von Asylbewerbern hervor, als deren Zahl seit Ende der 1970er Jahre stark anstieg. Die bewusste Politisierung des Asylantenproblems zeigte sich erstmals deutlich im Wahlkampf 1980. (Bade 2015)

Asylantrag und Asylverfahren: Neue Wortbildungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Die DWDS-Wortverlaufskurve zu „Asylantrag“ und „Asylverfahren“ zeigt auf Basis des DWDS-Zeitungskorpus für 1946 bis 2025 eine Verwendungsspitze der Komposita Anfang der 1990er Jahre.

Abb. 2: Wortverlaufskurve zu Asylantrag und Asylverfahren

DWDS (dwds.de) | Bildzitat (§ 51 UrhG)

Zum semantischen Feld rund um Asylrecht in seiner rechtlichen Lesart gehören seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Komposita Asylantrag Antrag beim Staat um die Gewährung von politischem Asyl (1963b, 1986, 1989a, 1989b; vgl. auch DWDS unter AsylantragDWDS) sowie Asylverfahren Folge von Rechtshandlungen, an deren Ende die Entscheidung über die Gewährung von Asyl für einen Asylsuchenden steht (1963a, 1977a, 1977b, 1978, vgl. auch DWDS unter AsylverfahrenDWDS. Beide sind entsprechend in erster Linie Rechtstermini. Auch Asylantrag und Asylverfahren haben eine Verwendungsspitze in den 1990er Jahren (vgl. Abb. 2 sowie die entsprechende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers). Daneben entstehen ebenfalls zu dieser Zeit die beiden Personenbezeichnungen Asylbewerber und Asylwerber, die ihrerseits deutliche rechtliche Bedeutungsaspekte tragen.

Kirchenasyl: Neue Lesart im ausgehenden 20. Jahrhundert

Mit der Entwicklung rechtsstaatlicher Systeme verliert das Kirchenasyl an Bedeutung und wurde im 18. und 19. Jahrhundert in den meisten europäischen Ländern aufgehoben. Das Kompositum Kirchenasyl verbreitet sich gleichwohl ab den 1990er Jahren weiter (vgl. die entsprechende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers). Diese Entwicklung ist vermutlich vor sach- und rechtsgeschichtlichen Entwicklungen im deutschsprachigen, namentlich im bundesrepublikanischen, Raum zu verstehen, die unter anderem die Kirchenasylbewegung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hervorgerufen haben.

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So erlangt die Gewährung von Kirchenasyl in der Bundesrepublik Deutschland mit ihren rechtsstaatlichen Grundsätzen und dem verfassungsrechtlich gewährten Grundrecht auf Asyl […] trotz der Abschaffung der entsprechender Regelung im katholischen Kirchenrecht Anfang der 1980er Jahre neue Bedeutung (Gölzer 2023, 57). Angesichts zunehmender Ressentiments und gewaltsamer Übergriffe auf Asylbewerber zu dieser Zeit wuchs, so Sarah Gölzer, die Kritik der Kirchen nicht nur hieran, sondern auch an einer aus ihrer Sicht zunehmend restriktiver werdenden Asylpolitik und -gesetzgebung. In diese Zeit fällt des Weiteren die drohende Abschiebung und der Selbstmord des türkischen Asylbewerbers Kemal Altun 1983, der viele bewegt haben soll, sich für Geflüchtete zu engagieren und als Beginn des zivilgesellschaftlichen Engagements für Geflüchtete angesehen wird (vgl. Gölzer 2023, 58). In der Nachfolge haben Gemeinden nicht nur Kirchenasyl gewährt, also besonders von der Ausweisung bedrohte Asylbewerber in kirchliche Gebäude aufgenommen um ihnen Schutz zu gewähren, sondern sich auch zunehmend vernetzt und an andere Gemeinden appelliert, es ihnen gleich zu tun (vgl. Gölzer 2023, 59). Nachdem zunächst in mehreren Bundesländern Netzwerke gegründet wurden, schloss sich 1994 auch die bis heute tätige ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche zusammen (vgl. Gölzer 2023, 59–60). Das Kirchenasyl wird heute grundsätzlich auch von den großen christlichen Kirchen unterstützt (vgl. Gölzer 2023, 60). Abschiebungen aus kirchlichen Räumen stießen in der Vergangenheit auf breite Ablehnung der Bevölkerung (vgl. Gölzer 2023, 61).

Jedenfalls begegnet Kirchenasyl nunmehr in der neuen Lesart vorübergehende Aufnahme besonders von der Ausweisung bedrohter Asylbewerber in kirchlichen Gebäuden (1987, 1990, 2000; vgl. auch DWDS unter KirchenasylDWDS). Kirchenasyl hat in dieser Lesart keinerlei rechtliche Bedeutungsaspekte (1989c, 1997).

Literatur

Bade 2015 Bade, Klaus J.: Zur Karriere und Funktion abschätziger Begriffe in der deutschen Asylpolitik. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Jg. 65 H. 25 (2015), S. 3–8.

2DFWB Deutsches Fremdwörterbuch. Begonnen von Hans Schulz, fortgeführt von Otto Basler. 2. Aufl., völlig neu erarbeitet im Institut für Deutsche Sprache von Gerhard Strauß u. a. Bd. 1 ff. Berlin/New York 1995 ff. (owid.de)

DWDS DWDS. Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute. (dwds.de)

Gölzer 2023 Gölzer, Sarah: Die Absprache zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den Kirchen zum Kirchenasyl. Voraussetzungen und Rechtswirkungen einer informalen Absprache zwischen Staat und Religionsgemeinschaft. Baden-Baden 2023.

Oltmer 2016 Oltmer, Jochen: Wie ist das Asylrecht entstanden? In: Kurzdossier Flucht und Asyl: Grundlagen. BPB, 21. 4. 2016. (bpb.de)

Poutrus 2023 Poutrus, Patrice: Asylsuchende. In: Inken Bartels et al. (Hrsg.): Inventar der Migrationsbegriffe, 15. 3. 2023. (doi.org)

Belegauswahl

Inzwischen weil doch im Inftr. Pac. Osnabr. Art. VIII. § 1. der Stände Iura territorialia fundiret sind, worunter auch das Recht Asyla zu machen, oder aufzuheben gehöret; indem theils aus der Observance zu ersehen, daß die Teutschen Fürsten dieses Recht gebrauchet, immaßen aus der Historie erhellet, daß schon im 14. Seculo Carolus der König in Böhmen in den Laußnitzschen Städten der Kirchen Asylrecht abgeschaffet, welches die Bayerische Malefiz-Proceßordnung An. 1616. bezeuget, anderer Exempel zu geschweigen, welche in des Herrn Christ. Conr. Engelbrechti Diff. de iniusta Asylorum immun. Eccel. ad crimina extensione C. 2 § 23. et C. 3. Membr. 2. § 3. angeführet […].

Jargow, Christoph George: Einleitung zu der Lehre von den Regalien oder Majestätischen Rechten eines Regenten […]. Rostock/Wismar 1757, S. 222. (books.google.de)

Allein eines theils war die Regierung zu ohnmächtig und die Nation zu roh, als daß ein solches Gesetz sogleich hätte wirksam gemacht werden können, anderntheils verhinderte das Asylrecht der Kirchen, bisher für viele, besonders gegen Gewaltthätikeit der Regierung die einzige Rettung, die Vollstreckung.

Krause, Johann Christoph: Geschichte der wichtigsten Begebenheiten des heutigen Europa […]. Zweyter Band: Geschichte der großen Völkerwanderung und des Mittelalters bis zur Gelangung der Karolinger zur fränkischen Krone. Halle 1790, S. 363. (books.google.de)

Die Concilien gestunden allen Gattungen von Verbrechern das Asylrecht zu, und sicherten es ihnen durch die Bannstrahlen, die sie gegen alle, so sie diesen Oertern entreißen wollten, schleuderten. Verschiedene Päbste trieben diese Befreyung der Oerter, deren Heiligkeit, als der einzige Grund für flüchtende Verbrecher, durch so einen Schutz beflecket wird, so weit sie konnten.

de Réal de Curban, Gaspard: Das allgemeine katholische geistliche Staatsrecht und das besondere der vornehmsten Europäischen Staaten […]. Bamberg/Würzburg 1791, S. 572. (books.google.de)

Er verlangt das Diöcesanseminarium, die theolog. Studien, die Wahl der Katechismen den Bischöfen wiedergegeben zu sehen; das alles wird, unter gewissen Modificationen, eingeräumt; dass aber die Bischöfe censurfrey, und selbst die Censoren aller Druckschriften seyn, in Ehesachen sprechen, die geistl. Immunität und das Kirchenasyl wieder aufrichten wollen, abgeschlagen […].

Allgemeine Literatur-Zeitung, 3. September 1792, Nr. 235, Sp. 512. (books.google.de)

Asylum oder Freystadt ist ein solcher Ort, welcher denjenigen, die sich dahin begeben, Sicherheit wider persönliche Gewalt verschafft. […] Die Einführung der christlichen Religion hat das Asylrecht nicht verdrängt, ob es im übrigen gleich späterhin verschiedentlich eingeschränkt worden ist.

[…] Das Asylrecht wurde ursprünglich aus sehr guten Ursachen eingeführt, um nehmlich der Ungerechtigkeit der Privatsache zu begegnen; da aber diese Uraschen bey unserer heutigen veränderten Gerichtsverfassng nicht mehr eintreten, so sind die Freystädte gegenwärtig nicht nur oft überflüssig, sondern sogar schädlich, in so fern sie die Ausübgung der Justiz hindern und erschweren können.

N. N.: Repertorium des gesamten positiven Rechts der Deutschen, besonders für practische Rechtsgelehrte, Zweyter Theil. Leipzig 1798, S. 245–247. (books.google.de)

Durch das Kirchenasyl wird der allgemeinen Meinung nach denjenigen, welche sich an heilige oder kirchliche Orte flüchten, eine solche Sicherheit gegeben, daß sie daraus wenigstens zu keinen Todesstrafen weggenommen werden können, auch wenn sie Verbrechen begangen haben, die eine solche Strafe fordern.

Pehem, Jos. Joh. Nep.: Vorlesungen über das Kirchenrecht. Aus dem Lateinischen übersetzt. Ersten Bandes zweyter Theil: Öffentliches Kirchenrecht. Wien 1802, S. 628. (books.google.de)

Der Kirche mußte fortan der Zehnte entrichtet werden; den Kirchengebäuden ward ein heiliges Asylrecht eingeräumt, wovon selbst Mörder Gebrauch machen durften.

Bauer, Ludwig: Allgemeine Weltgeschichte für alle Stände […]. Bd. 2. Stuttgart 1836, S. 369. [DWDS] (gei.de)

Nichts ist gewöhnlicher, als die Behauptung, daß das ganze Kirchenasyl in Deutschland obsolet und zur Rechtsantiquität geworden, und daß die darüber erlassenen päpstlichen und kaiserlichen Constitutionen überall durch eine entgegenstehende Gewohnheit aufgehoben worden seien.

Seitz, Eduard: Recht des Pfarramtes der katholischen Kirche. Ein Handbuch für Kirchen- und Staatsbeamte. Erster Theil: Von den Pfarreien und Pfarrkirchen und von dem Pfarrkirchenvermögen der Katholiken. Regenburg 1840, S. 208. (books.google.de)

Wie wir aus sicherer Quelle vernehmen, sind sechs der als Mörder von Auerswald und Lichnowsky steckbrieflich Verfolgten in Straßburg verhaftet worden, und ist die französische Behörde nicht gesonnen, das Asylrecht für politische Flüchtlinge auf Canibalen auszudehnen.

Beilage zum Mainzer Journal, 5. Oktober 1848, Nr. 103. (deutschestextarchiv.de)

Ein daselbst befindlicher, dem Apollo und der Diana heiliger Tempel war berühmt durch sein Asylrecht.

N. N.: Herders Conversations-Lexikon. Zweiter Band: Cardatur bis Fyt. Freiburg im Breisgau 1854, S. 284. (deutschestextarchiv.de)

Die Schweiz entzieht den Flüchtlingen das Asylrecht.

Winderlich, Carl: Uebersicht der Weltgeschichte in synchronistischen Tabellen. Breslau 1859, S. 75. [DWDS] (gei.de)

Belgien wie die Schweiz waren nahe daran, die Waffen für ihr Recht zu ergreifen und das Asylrecht gegen den zweiten December zu vertheidigen; aber ihre Regierungen fügten sich doch schließlich, und die Flüchtlinge mußten wieder flüchten.

Die Gartenlaube 10 (1862), S. 486. [DWDS] (wikisource.org)

Kaum dort angelangt, erhält er einen polizeilichen Befehl, binnen acht Tagen Belgien zu verlassen und einen beliebigen Ort, wohin er reisen wolle, zu bestimmen. Ich schalte hier ein, daß dieses Vorgehen den belgischen Gesetzen vollständig widerspricht, denn in Belgien besteht Asylrecht, und so lange ein Fremder sich nicht aktiv an der politischen Bewegung betheiligt, kann er nicht ausgewiesen werden; für den Fall einer Ausweisung ist bestimmt, daß eine von sämmtlichen Ministern gegengezeichnete Kabinetsordre erlassen wird. Folglich hatte die Polizei nicht das Recht, den Herrn Schlesinger auszuweisen.

Verhandlungen des Reichstages. Berlin 1876, S. 288. [DWDS] (digitale-sammlungen.de)

Meine Herren, der Antrag hat gewiß nicht die Absicht, das Asylrecht im allgemeinen in irgend welcher Weise anzutasten. Bluntschli sagt mit Recht: das Asylrecht für politische Flüchtlinge ist geboten durch die Interessen der Politik, der Gerechtigkeit und der Humanität. Und die Geschichte beweiset, daß bei allen Völkern und unter allen Verhältnissen ein Asylrecht stattgefunden hat; und im Wechsel der Zeiten haben von demselben Gebrauch gemacht bald die Fürsten, die Anhänger der legitimen Monarchie und die Aristokraten, bald die Demokratie.

Verhandlungen des Reichstages. Berlin 1881, S. 757. [DWDS] (digitale-sammlungen.de)

Wir mißgönnen der Schweiz weder ihr Asylrecht, noch ihre Versammlungs- und Preßfreiheit, wenn wir auch Gott danken, daß wir unter ihren Segnungen nicht zu leben brauchen.

Die Grenzboten 47/1 (1888), S. 476. (deutschestextarchiv.de)

Die spätrömische Kaisergesetzgebung sanktionierte ein Asylrecht der christlichen Kirchen, indem sie bei Todesstrafe verbot, den Flüchtling mit Gewalt dem Asyl zu entreiſsen. In den germanischen Staaten wurde das von der Kirche beanspruchte Asylrecht allenthalben innerhalb bestimmter Grenzen anerkannt.

Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig 1892, S. 610. (deutschestextarchiv.de)

Der Staat hat das Recht, aber nicht die Pflicht, solche Personen zurückzuweisen. Und er hat das Recht, ihnen Asyl zu gewähren, soweit dadurch nicht die Sicherheit andrer Staaten gefährdet wird (oben § 7 II 1). Das Asylrecht ist mithin völkerrechtlich ein Recht des Zufluchtsstaates, nicht aber des staatsfremden Flüchtlings.

Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin 1898, S. 138. (deutschestextarchiv.de)

(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Das Asylrecht für politische Flüchtlinge hat sich ja im vorigen Jahrhundert eine Zeit lang geradezu als eine Maxime herausgebildet, an der unverbrüchlich jeder Staat festhalten müsse, der darauf Anspruch erhebe, ein Kulturstaat zu sein. Nun, Deutschland, glaube ich, hättte allen Anlaß, auch dieses Asylrecht im weitesten Maße zu üben.

Verhandlungen des Reichstages. Berlin 1904, S. 375. [DWDS] (digitale-sammlungen.de)

Da die Kirche die Privatrache noch nicht ganz zu beseitigen vermochte, suchte sie den Verfolgten wenigstens zu schützen, indem sie ihm in der Kirche und deren nächster Umgebung Asylrecht einräumte.

Kreuzberg, Peter Josef: Die Entwicklung des deutschen Volkes und seiner Kultur. I. Von der Urzeit bis zum Ausgange des Dreißigjährigen Krieges. Paderborn 1909, S. 46. [DWDS] (gei.de)

England hat nicht nur durch den Parlamentarismus und die Schwurgerichte, sondern auch durch das im weiten Umfang gewährte Asylrecht für politisch Verfolgte den berechtigten Ruf eines Landes der Freiheit erlangt.

Die Grenzboten 73/3 (1914), S. 458. (deutschestextarchiv.de)

Deutschland ist zu krank, um den gefährlichen Gästen aus dem Osten Asylrecht gewähren zu können, mögen sie jüdischen oder slawischen Stammes sein.

Die Grenzboten 80/1 (1921), S. 318. (deutschestextarchiv.de)

Wir stellen fest, daß ein sehr großer Unterschied gemacht wird zwischen dem Asylrecht, das früher immer die Schweiz und Paris gewährte, und dem Asylrecht, das wir jetzt in Deutschland haben.

Verhandlungen des Reichstages. Berlin 1922, S. 6902. [DWDS] (digitale-sammlungen.de)

Ausländer nehmen in erhöhtem Maße das Asylrecht in Deutschland in Anspruch.

Verhandlungen des Reichstages. Berlin 1922, S. 7458. [DWDS] (digitale-sammlungen.de)

Wann endlich wird die Reichsregierung das längst angekündigte Gesetz über das Asylrecht dem Reichstag vorlegen?

Verhandlungen des Reichstages. Berlin 1924, S. 4602. [DWDS] (digitale-sammlungen.de)

Der andere völkerrechtlich anerkannte Satz ist, daß das Asylrecht kein Recht des Zufluchtsuchenden, sondern ein Recht des Zufluchtstaates darstellt.

Verhandlungen des Reichstages. Berlin 1928, S. 11720. [DWDS] (digitale-sammlungen.de)

Die Schweiz und Italien kämen nur als Durchgangsland für die Emigranten in Betracht. Den Emigranten sei in den erwähnten Ländern wohl das Asylrecht gewährt, aber keine Bewilligung zur Arbeit erteilt worden.

N. N.: Judenfrage, Auslandsstimmen. In: Archiv der Gegenwart, Bd. 3, 7. 9. 1933, S. 1021 ff. Zit. n. CD-ROM-Ausgabe 2001 [zuerst 1933]. [DWDS]

Heinrich Manns erster Beitrag für die „Pariser Tageszeitung“ gilt Worten der Begrüssung an den Internationalen Kongress für Asylrecht, der am 20. Juni in Paris zusammentritt und die für die Emigration wichtigen Fragen der wirtschaftlichen Gleichberechtigung im Zufluchtslande behandelt.

Pariser Tageszeitung, 14. 6. 1936, S. 2. [DWDS]

Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.

Resolution der Generalversammlung 217 A (III). Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Art. 14, Abs. 1. (un.org)

Art 16a
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100–1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 439) geändert worden ist. Art. 16a, Abs. 1. (gesetze-im-internet.de)

Durch das Inkrafttreten des Grundgesetzes erfahren die Bestimmungen dieser Verordnung von 1938 wesentliche Korrekturen, insofern nämlich, als politische Verfolgte jetzt unter das Asylrecht des Artikel 16 der Grundordnung fallen, ferner insofern, als in jedem Falle nun der Rechtsweg gegen Ausweisungsbefehle gemäß Artikel 19 des Grundgesetzes erschlossen ist, und schließlich auch insofern, als nach Artikel 104 über eine sogenannte Abschiebungshaft immer der Richter zu entscheiden hat.

Plenarprotokoll vom 16. 2. 1950. In: Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll Nr. 01/39, S. 1324. [DWDS] (bundestag.de)

Das Kölner Amt teilte seine Beobachtungen der Bundesstelle für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Nürnberg mit, wo Alexander Tscheischwili sein Asylverfahren betrieb.

Der Spiegel, 23. 10. 1963, S. 27. [IDS]

Der Stellung eines eventuellen Asylantrags stehen der Erlaß und der Vollzug dieses Aufenthaltsverbotes nicht entgegen, da der Betroffene die Entscheidung über seinen Antrag auch in Frankreich abwarten kann.

Plenarprotokoll vom 11. 12. 1963. In: Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll Nr. 04/101, S. 4698. [DWDS] (bundestag.de)

Wo soll es denn hinführen, wenn wir denjenigen, die bei uns in der Bundesrepublik sind, nicht das Asylrecht garantieren, auf das sie nach Völkerrecht und nach unserem Grundgesetz einen Anspruch haben!

Plenarprotokoll vom 13. 12. 1967. In: Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll Nr. 05/143, S. 7378. [DWDS] (bundestag.de)

1857 wurde eine Übereinkunft mit dem Herzog von Modena 3 getroffen, die eine Begrenzung des kirchlichen Asylrechts erreichte und als Gegenleistung Konzessionen über die Tote Hand einräumte, eine Frage, die überall durch die vielen Klöster, die es auf der Halbinsel gab, dringlich geworden war.

N. N.: Die Kirche in der Gegenwart. In: Jedin, Hubert (Hg.) Handbuch der Kirchengeschichte. Berlin 2000 [1971], S. 11939. [DWDS]

In zwei von drei Fällen wird das Asylverfahren ohne persönliche Anwesenheit des Antragstellers entschieden. Ihm stehen, einschließlich des Bundesverfassungsgerichts, sechs Rechts-Instanzen offen.

Die Zeit, 11. 3. 1977, S. 12. [IDS]

Es gibt Unterschiede im Rechtsstatus, Herr Kollege Schäfer. Es steht allerdings denjenigen, die im Rahmen des Aufnahmeverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland Aufenthalt gewährt bekommen, frei, dann hier ein normales Asylverfahren anzustrengen.

Plenarprotokoll vom 28. 9. 1977. In: Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll Nr. 8/43, S. 3280. [IDS] (bundestag.de)

Unser Asylverfahren schleppt sich zur Zeit über sechs Verfahrensstationen hin, von der Vorprüfung des Sachverhalts durch das Bundesamt in Zirndorf bis zur Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht; anschließend dann noch das über zwei Verwaltungs- und drei Gerichtsinstanzen laufende Ausweisungsverfahren der Ausländerbehörde.

Plenarprotokoll vom 1. 6. 1978. In: Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll Nr. 8/93, S. 7370. [IDS] (bundestag.de)

Ausländer, die in der Bundesrepublik einen Asylantrag gestellt haben, werden nach einem bestimmten Schlüssel zur Unterbringung auf die einzelnen Bundesländer verteilt.

N. N. [sti.]: Verteilerschlüssel für Asylbewerber. In: Aktuelles Lexikon 1974–2000. München 2000 [1986], S. 188. [DWDS]

Der setzen die Tamilen-Helfer nun vor allem das „Kirchenasyl“ entgegen: Eine „Ökumenische Basisbewegung für Flüchtlinge“ bietet den von der Ausweisung Bedrohten in Privatwohnungen ein sicheres Versteck. Jeder vierte Schweizer, so ergab die Illustrierten-Umfrage, ist bereit, Tamilen aufzunehmen, „um sie so der Ausschaffung zu entziehen“.

Der Spiegel, 2. 2. 1987, S. 135. [IDS]

Werde ein Asylantrag abschlägig beschieden, müsse der Asylbewerber „konsequent und unverzüglich“ abgeschoben werden.

N. N.: Innenpolitik. In: Archiv der Gegenwart, Bd. 59, 13. 9. 1989, S. 33761. [DWDS]

Verwaltung und Gerichte müßten verstärkt werden, damit künftig schneller über Asylanträge entschieden werden könne.

N. N.: Innenpolitik. In: Archiv der Gegenwart, Bd. 59, 13. 9. 1989, S. 33761 ff. Zit. n. CD-ROM-Ausgabe 2001 [zuerst 1989]. [DWDS]

Pfarrer Hoiß hat den sieben Bengalen bis zum 15. Dezember Asyl in seiner Kirche zugesagt. Aber ein Kirchenasyl wie im Mittelalter gibt es heute nicht mehr.

Die Zeit, 8. 12. 1989, S. 44. [IDS]

Vor sieben Wochen hatten die Gottesdienstbesucher, als sie von der drohenden Abschiebung der Bengalen erfuhren, dafür gestimmt, den Flüchtlingen „Kirchenasyl“ zu gewähren.

Nürnberger Nachrichten, 3. 1. 1990, S. 18. [IDS]

Schon die mosaische Gesetzgebung kennt die Institution des Asylrechts.

N. N. [dpa]: Kirchenasyl. In: Aktuelles Lexikon 1974–2000. München 2000 [1994], S. 55. [DWDS]

In einem Interview sagte Kanther, rechtlich gebe es kein Kirchenasyl, und es könne auch keinen rechtsfreien Raum für die Kirchen geben.

Berliner Zeitung, 31. 5. 1997. [DWDS]

Nach gut eineinhalb Jahren in so genanntem Kirchenasyl ist eine kurdische Familie in Göttingen als Asyl berechtigt anerkannt worden.

Berliner Zeitung, 11. 7. 2000. [DWDS]