Wortgeschichte
Vom Marschgepäck zur Personenbezeichnung
Bagage ist zunächst das Marsch-
bzw. Reisegepäck
, das gewöhnlich auf Pferden oder Lasttieren transportiert wird (1588, 1704). Es wird dann auch metonymisch für die Mannschaft verwendet, die sich um das Gepäck und dessen Transport kümmert oder die sonst das Heer begleitet (1617, 1647). Zu diesem Tross können also auch Händler sowie Familienangehörige und Bedienstete der Soldaten gerechnet werden.
Der Entlehnungsweg
Das Wort stammt aus dem Französischen, wo es heute noch Gepäck
bedeutet; älter ist auch Tross
belegt (TLFi unter bagagefrz.). Die bis zum Ende des 17. Jahrhunderts bezeugte Form bagagi verweist nach Pfeifer auf Vermittlung des Niederländischen (Pfeifer unter BagageDWDS, zur Etymologie vgl. auch 2DWB 4, 58). Da auch das niederländische bagage, bagagie diese Bedeutung aufweist, könnte das Wort in der Tat auch von dorther übernommen worden sein (zum niederländischen Wort s. WNT unter bagage).
Die ganze Bagage: Eine Metapher als semantische Brücke
Eine Übertragung, die bereits in Richtung auf die heutige Bedeutung Gesindel
verweist, liegt mit einem Beleg von (1725) vor. Hier wird die Verbindung die ganze Bagage in scherzhafter Weise, aber erkennbar schon mit abfälligem Unterton auf den Familienanhang einer Person angewandt. Hier liegt somit eine Metapher vor, die den wenig angesehenen, bunt zusammengewürfelten Tross eines Heeres mit einer offenbar weitläufigen Familie in Analogie setzt.
Im Beleg 1754 ist dann aufgrund der Gleichsetzung von Bagage mit schelm-pak in jedem Fall eine deutliche Abwertung greifbar. An dieser Stelle werden zunächst zwei Personen genannt, von denen der Autor offenbar keine hohe Meinung hat, woran sich dann die Verbindung und die ganze Bagage anschließt. Die Abwertung der Einzelpersonen – einer Sängerin und eines Sängers – wird durch die Erweiterung und die ganze Bagage auf einen ganzen Typus bezogen und damit generalisiert: Die getadelten Künstler treten damit nicht so sehr als Individuen in Erscheinung, sondern werden durch den Anschluss als Repräsentanten eines Typs dargestellt. Über die Wortverbindung und die ganze Bagage kann somit eine Entindividualisierung hergestellt werden, die die Abwertung noch verstärkt. – Die Verbindung (und) die ganze Bagage hält sich bis in die Gegenwart (vgl. 1860, 1987, 2000).
Bagage wird aber auch außerhalb dieser Verbindung als abwertender Ausdruck in der Bedeutung Gesindel; Gruppe von schlecht angesehenen Personen
verwendet. Die Belege für diesen eher umgangssprachlichen Ausdruck stammen häufig auch aus (fiktiven) Redewiedergaben (1839, 1871, 1932, 1934). Zuweilen kann das eigentlich stark pejorative Wort auch in freundlich-belächelnder Weise verwendet werden (1998).
Die abwertende Lesart stellt ab dem beginnenden 20. Jahrhundert die Hauptbedeutung dar. Die Bedeutungen Tross
und Gepäck
sind nur noch sporadisch bezeugt (vgl. 1920, 1995 bzw. 1958).
Literatur
2DWB Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Neubearbeitung. Hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (vormals Deutsche Akademie der Wissenschaften) und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Bd. 1–9. Stuttgart 1983–2018. (woerterbuchnetz.de)
Pfeifer Pfeifer, Wolfgang u. a.: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (1993), digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache. (dwds.de)
TLFi Trésor de la language française informatisé (Trésor de la language française, sous la direction de Paul Imbs/Bernard Quemada. Bd. 1–16. Paris 1972–1994). (atilf.fr)
WNT Woordenboek der Nederlandsche Taal. Bd. 1–29. ’s-Gravenhage u. a. 1882–1998. (ivdnt.org)
Weitere wortgeschichtliche Literatur zu Bagage.