Wortgeschichte
Tross und Kleiderbündel: Herkunftshypothesen
Der oder das Pack bedeutet zunächst Bündel verschiedener Dinge (Kleider, Briefe u. ä.)
(1631b, 1635, 1699). Das Wort ist sehr häufig in der Verbindung (mit) Sack und Pack mit allem Besitz
bezeugt, vgl. 1631a. Offenbar handelt es sich um eine Übernahme des gleichbedeutenden mittelniederdeutschen Wortes pakmnd., das seinerseits auf mittelniederländisch pacmnl. zurückgeht (vgl. Pfeifer unter PackDWDS).
Als abwertende Bezeichnung für eine Personengruppe wird es zuerst Mitte des 17. Jahrhunderts greifbar (1648 in der Verbindung Gesindlein und Pack, vgl. 1682). Seit dem 18. Jahrhundert ist diese Verwendung dann häufiger belegt (vgl. 1700, 1733), gelegentlich auch verstärkt durch ein pejoratives Adjektivattribut (z. B. elendes/dummes Pack 1903, 1910).
Die Entstehung der auf Personengruppen bezogenen Bezeichnung ist nicht ganz klar. Im Deutschen Wörterbuch
wird ein Zusammenhang mit einem Wort Pack Tross eines Heereszuges
hergestellt (1DWB 7, 1398). Der Bedeutungsübergang wäre dann analog zu BagageWGd zu sehen, wo sich die abwertende Personenbezeichnung wohl tatsächlich aus dem Wort für den schlecht angesehenen Gepäcktross, der dem Heer folgte, hervorgegangen ist.1) Problematisch an dieser Herkunftshypothese ist indes, dass es für Pack in der Lesart Tross
keine Textbelege gibt. Daher ist nach anderen Erklärungen zu suchen.
Möglicherweise ist die Analogie zu HaufenDWDS hilfreicher, das ja ebenfalls als abwertende Bezeichnung für Personengruppen vorkommt. Ähnlich wie Haufen bezeichnet Pack eine ungeordnete Zusammenstellung von Einzeldingen. Hier wie dort wäre der Bedeutungsübergang dann durch den Aspekt des Zusammengewürfelten motiviert. In beiden Fällen hat besonders auch die Übertragung von Sachen auf Menschen einen deutlich abwertenden Effekt, da im Hintergrund stets das normative Wissen präsent gewesen sein dürfte, dass über Menschen nicht in derselben Weise wie über Dinge gesprochen werden sollte.
Pack schlägt sich – Pack verträgt sich
Im 18. Jahrhundert bildet sich das Sprichwort Pack schlägt sich, Pack verträgt sich heraus (1781). Im Hinblick auf seine rhetorische Struktur stellt es einen Parallelismus dar, da die Satzgliedfolge beider Teilsätze identisch ist; die Übereinstimmung im Satzbau ist allerdings kombiniert mit einem inhaltlichen Gegensatz zwischen den Prädikaten beider Sätze (sich schlagen – sich vertragen). Neben dem Reim verleiht auch der Wegfall des Artikels von Pack dem Idiom zusätzliche Prägnanz. Was den Bedeutungsgehalt dieses Sprichworts angeht, so basiert es offensichtlich auf dem traditionsreichen Stereotyp der wankelmütigen, affektgetriebenen Volksmasse, die schnell von einem emotionalen Extremzustand in den anderen fällt (s. auch MobWGd).
Pack im politischen Diskurs
Als der SPD-Vorsitzende, Wirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel im August 2015 anlässlich einer rechtsextremistischer Krawalle im sächsischen Heidenau die Randalierer in einem Fernsehinterview als Pack bezeichnete (Das ist Pack, das ist Mob, […] und man muss sie einsperren, vgl. 2015a), sorgte dies für ein breites und teils sehr emotionales Echo. Die Aussage zog auch gegen Politiker gerichtete Gewaltandrohungen durch Rechtsradikale nach sich. Von einigen wurde es als unangemessen empfunden, dass ein Mitglied der Regierung einen derart abwertenden Ausdruck auf Gegner der von ihm vertretenen Migrationspolitik anwendet (z. B. 2016); vielfach wurde die Aussage aber auch als klares Bekenntnis gegen Rechtsextremismus und Gewalt gewürdigt (vgl. 2015c).
An der Interviewäußerung war zunächst bemerkenswert, dass das Wort Pack gezielt aus dem Bereich alltäglicher Kommunikation gelöst und in den politischen Diskurs überführt wurde (einleitend verwendet Gabriel den Satz: Bei uns zu Hause würde man sagen). Bemerkenswert ist aber auch die Kombination sowohl mit dem Wort MobWGd als auch mit der Forderung nach drastischen juristischen Konsequenzen (einsperren). Der Sprecher ruft damit eine deontische Bedeutungskomponente auf, die fest mit dem Ausdruck Mob verbunden ist: Ein Mob agiert illegitim und der Staat ist deshalb berechtigt und sogar verpflichtet, dem Treiben des Mobs Einhalt zu gebieten (dazu im Einzelnen die Ausführungen im Artikel MobWGd). Dieser implizite Bedeutungsaspekt des Wortes Mob kommt hier offen zur Sprache und wird damit gewissermaßen auf das benachbarte Pack übertragen. Dies verleiht dem Wortgebrauch zusätzliche Brisanz.
Die Äußerung Sigmar Gabriels aus dem August 2015 wird in der Folgezeit auch als Beispiel für eine Verrohung des politischen Sprachgebrauchs diskutiert, die zunehmend um sich greife (vgl. 2015b, 2018). Dabei konzentriert sich die Aufmerksamkeit ausschließlich auf Pack, während der im direkten Kontext und als Synonym gebrauchte Ausdruck Mob unbeachtet bleibt. Die Diskussion wird damit nicht nur auf ein einziges Wort verengt, sondern sie löst sich auch sonst sehr deutlich von dem konkreten Kommunikationsereignis des Jahres 2015: Gegenstand der Debatte ist nicht etwa die Frage, ob rechtsextreme Gewalttäter beschimpft werden dürfen, sondern ob es legitim ist, dass Politiker herabsetzende Äußerungen für Andersdenkende verwenden. Die erste Frage entspräche der Äußerung Gabriels, die zweite Frage indes beruht auf einer – sprachhistorisch sehr wirksamen – Mythenbildung: Ein Politiker habe Teile der Bevölkerung als Pack beschimpft.
Lumpenpack
Seit dem 17. Jahrhundert ist auch die Wortbildung Lumpenpack bezeugt, die der abwertenden Lesart des Grundwortes weitgehend entspricht (vgl. 1679, 1812, 1933). Das Erstglied Lumpen- nimmt auf die typische Bekleidung der Bettler Bezug; damit wird also das bettelhafte, nichtswerte bezeichnet
(1DWB 6, 1294). Das Erstglied Lumpen- tritt in einer Vielzahl von abwertenden Bildungen auf, die meist auf Personen oder Personengruppen bezogen sind (z. B. Lumpenkerl, LumpengesindelWGd, Lumpengeselle, s. auch 1DWB 6, 1296). Lumpen- ist meist nicht wörtlich zu verstehen, etwa im Sinne von in Lumpen gekleidet
o. ä.; vielmehr kommt diesem Element eine übertragene (in diesem Fall metonymische) Bedeutung wertlos, armselig
zu. Es hat damit fast den Status eines Präfixes, mit dem eine negative Einstellung gegenüber dem Inhalt des Zweitglieds ausgedrückt werden kann.
Anmerkungen
1) Dazu die Erläuterung im 1DWB: da pack 1 wie franz. bagage auch vom gepäcke des heeres vorkam (sarcinae militares Stieler 1409), so bezeichnete pack zunächst (wie bagage) den mit dem gepäcke dem heere nachziehenden trosz (der pack zieht hinden nach. Stieler a. a. o.)
(1DWB 7, 1398).
Literatur
1DWB Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Bd. 1–16. Leipzig 1854–1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971. (woerterbuchnetz.de)
Pfeifer Pfeifer, Wolfgang u. a.: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (1993), digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache. (dwds.de)
Weitere wortgeschichtliche Literatur zu Pack, Lumpenpack.