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Schickeria Schickimicki · Adabei

Politik & Gesellschaft

Kurz gefasst

Gregor von Rezzori beschreibt Ende der 1950er mit Schickeria recht provokant erstmals eine sich extravagant gebende, vor allem durch Medienpräsenz von sich reden machende Gesellschaftsschicht. Insbesondere in den 1980ern führen Beiträge in Musik und Fernsehen dazu, dass mit Schickeria immer öfter der Standort München assoziiert wird. Zu dieser Zeit erweitern zudem Wörter wie Schickimicki, dessen Kurzform Schicki sowie das eher im Bairisch-Österreichischen beheimatete Adabei das Wortfeld um Schickeria.

Wortgeschichte

Wortprägung eines Autors

Das Wort Schickeria ist ein Neologismus der 1950er Jahre, der sich auf den Schriftsteller Gregor von Rezzori zurückführen lässt (1959). Ihm zufolge beschreibt Schickeria jenes Grüppchen innerhalb des bundesdeutschen Sozialgefälles, das sich selbst den Namen Schickeria gegeben hat (Rezzori 1963, 9). Letztendlich gibt es keine früheren schriftlichen Bezeugungen als solche, die von von Rezzori selbst stammen.

Was die Herkunft des Wortes betrifft, so verweist von Rezzori selbst auf eine einfallsreiche Verschmelzung zweier […] Fremdwörter […] nämlich der dem Modischen entlehnten französischen Vokabel chic […] und dem ursprünglich jiddischen Jargonausdruck schickern, was soviel heißt wie: sich besaufen (Rezzori 1963, 9–10).1) Wahrscheinlicher ist allerdings die Zurückführung auf das italienische Wort sciccheria raffinierte und kostbare Eleganz; außergewöhnliche Raffinesse; raffiniertes und luxuriöses Objekt (vgl. GDLI unter sciccherìa und Pfeifer unter SchickDWDS), worauf von Rezzori zusätzlich in einer Fußnote hinweist (vgl. Rezzori 1963, 10).

Wer reinkommt, ist drin

Von Rezzori beschreibt in seinen Ausführungen die Schickeria als eine eher mangelhafte Fortführung der BeaumondeWGd: Lediglich deren ramponierte Kulissen hat die Schickeria übernommen und belebt sie mit den Allüren der demi-monde, übertragen ins biedere Gewissen des deutschen Schunkelgeists (Rezzori 1963, 11). Die Bezeichnung zielt seit ihrer Einführung in der Tat meist spöttisch bis abwertend auf die medienpräsente, sich extravagant gebende Gesellschaftsschicht (1968, 1974, 1979); bisweilen liegt mit Schickeria ein Bezug auf linke politische Kreise vor (1973b, 1976a). Insbesondere ab Ende der 1970er nimmt die Bezeugungshäufigkeit zu. Auffällig ist, dass mit Schickeria auch oft auf die gut betuchte und durch ausgiebigen Alkohol- und Drogenkonsum in Erscheinung tretendende Schwabinger SzeneWGd abgehoben wird (1977, 1983a, 1985a). Das Bild einer vor allem im süddeutschen Raum beheimateten Schickeria wurde in den 1980ern sicherlich durch Songs wie Schickeria (Spider Murphy Gang 1982) oder die Fernsehserie Kir Royal (Helmut Dietl 1986) mitgeprägt (2014a, 2017c). Das dadurch gehäufte Auftreten von München und Schickeria wird zu einer festen Wortverbindung, die auf eine bestimmte gesellschaftliche Szene Bezug nimmt (1976b, 2005, 2017b). Seit 2002 nennt sich auch die Ultras-Gruppe des FC Bayern München Schickeria. Der Fanklub beschreibt seine Ultra-Bewegung als Ausdruck einer lebendigen JugendkulturWGd (2011b).

Selten wird Schickeria als Synonym zu HautevoleeWGd (1983b, 2016b) aufgefasst, dazu steht das Wort mit ironischer Intention neben Schnösel-Gemeinde (2000a) und Bussi-Gesellschaft (2005) und immer wieder als Gegensatz zu der alteingesessenen oberen Gesellschaftsschicht, der feinen oder guten Gesellschaft (1976b, 1992b, 2014b).

Die Bezeugungsfrequenz von Schickeria ist bis in die Gegenwart keinen größeren Schwankungen unterworfen; einschränkend ist für diese allerdings anzumerken, dass über die rein frequenzielle Korpusauswertung nicht zwischen Kollektiv- und Individuenbezeichnung unterschieden werden kann. Weniger geläufig als Schickeria sind die das Feld ergänzenden Wörter Schickimicki und Adabei (vgl. Abb. 1).

Die Abbildung zeigt die verhältnismäßige Bezeugungsfrequenz der Wörter Schickeria, Schickimicki, Schicki und Adabei seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Abb. 1: Wortverlaufskurve zu „Schickeria“ aus dem DWDS Zeitungskorpus

DWDS (dwds.de) | Bildzitat (§ 51 UrhG)

Angehörige der Schickeria

Seit den 1980ern wird neben Schickeria das durch Reduplikation gebildete Wort Schickimicki (Fleischer/Barz 2012, 94) geläufig. Neben der Bedeutung modischer Kleinkram (s. Duden online unter Schickimicki; 1984, 1989) wird Schickimicki häufig ironisch für übertrieben modisch gekleidete Person, Snob (1985b, 2011a) oder Blasiertheit, Überheblichkeit (1995, 2017a) verwendet. Häufig ist die Lesart Snob, Schickeria (1996) und das Wort steht meist im Plural (1992a, 2011a). Daneben kommt die Kurzform Schicki und die Lesart Yuppie (1987, 1997, 2016a, s.a. YuppieWGd) sowie die Paarformel Schicki und Micki (2000b) vor. Die Verwendung als Prädikatsnomen führt dazu, dass das Wort Schickimicki adjektivisch im Sinne von abgehoben, versnobt gebraucht wird (1993, 2008, 2012).

Bereits einige Jahre früher als Schickeria ist Adabei bezeugt (1952). Zunächst in der recht allgemeinen Lesart jemand, der überall dabei sein möchte, verengt sich diese Bedeutung und bezeichnet bald jemanden, der einer Clique, der Schickeria angehört (1973a, 1988, 2019). Bei Adabei handelt es sich um ein vor allem im Bairischen und Österreichischen verankerten Kurzwort aus auch dabei (WBÖ 1, 495).

Anmerkungen

1) Schickern im Sinne von Alkohol trinken ist wohl unmittelbar aus dem Jiddischen in die Mundarten gelangt (vgl. 25Kluge, 803).

Literatur

Duden online Duden online. Hrsg. von der Dudenredaktion. Mannheim 2011 ff. (duden.de)

Fleischer/Barz 2012 Fleischer, Wolfgang/Irmhild Barz: Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. 4., völlig neu bearbeitete Aufl. unter Mitarbeit von Marianne Schröder. Berlin/Boston 2012.

GDLI Battaglia, Salvatore: Grande dizionario della lingua italiana. Vol. 1–21. Turin 1971–2002. (gdli.it)

25Kluge Kluge – Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearb. von Elmar Seebold. 25., durchgesehene und erweiterte Aufl. Berlin/Boston 2011.

Pfeifer Pfeifer, Wolfgang u. a.: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (1993), digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache. (dwds.de)

Rezzori 1963 Rezzori, Gregor von: Schickeria: das Paradies auf Erden, hier und heute: Wesenszüge und Merkmale der führenden und treibenden Kräfte des bundesdeutschen high life. Reinbek b. Hamburg 1963.

WBÖ Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich. Hrsg. von der Kommission für Mundartkunde und Namenforschung. Bearb. von Victor Dollmayr u. a. Wien u. a. 1970 ff. (dioe.at)

Belegauswahl

[…] Auf die Uebernahme einiger mundartlicher Ausdrücke, die sich noch im ersten Druckbogen finden, hat man verzichtet (Agrasel, sich abstrudeln, anglaren), doch ist der neue Wortschatz trotzdem überreich: Adabei (erklärt als „der Herr Adabei: einer, der überall auch dabei sein will, Neugieriger, Wichtigmacher“) […], angänzen („einen Brotlaib anschneiden“), Ballawatsch, Budel, Bauxerl („kleines, herziges Kind“), Göd („Pate“), Gschnas („wertloses Zeug“), hatschen („schleifend, schleppend gehen“), Pausch, Sumper („Mensch ohne höhere Interessen, Spießbürger, Banause“), zwinzeln.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. 2. 1952, Nr. 46, S. BuZ2.

Etwas schonungsvoller geht Rezzori mit einer anderen, nicht durch Herkunft, sondern durch Vermögen und gemeinsames Amüsier-Interesse gebildeten Creme -Schicht im deutschen Gesellschaftsgefüge um, mit der von ihm so genannten „Schickeria“, der sich Rezzori zu einiger Dankbarkeit verpflichtet weiß: „Es hat Bomben auf uns gehagelt, aber das österliche Geläute der Cocktailgläser schwang durch unser Gemüt und hat schließlich ihre Detonationen übertönt.“

Der Spiegel, 1. 1. 1959, S. 37. [IDS]

Die Kommission hat den neuen Begriff [Publikumszeitschrift, N.M.] nicht leichtfertig eingeführt. Sie sah sich zu einer Neubenennung gezwungen. Man, will den Illustrierten jenen neueren Typus Zeitschrift zurechnen, die, äußerlich eine Broschur, in Inhalt und Gehalt ein Mittelding zwischen illustrierter Mittelstandseleganz, Scheininformation mit dem Hautgout der gezielten gewerblichen Indiskretion und dem gesunkenen Kulturgut der Schickeria zu einem marktgängigen Produkt verarbeitet.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26. 6. 1968, Nr. 145, S. 18.

7. Dieses ewige Gerangel, dabeizusein, dazuzugehören zur jeweils begehrten Clique, auf den richtigen Einladungslisten zu stehen,to be in it and with it, erzeugt Komplexe, Überheblichkeit bei den „Adabeis“ und Neid bei denen, die „außen vor“ bleiben; es führt zu einer höchst unerwünschten Umwertung von Werten.

Die Zeit, 24. 8. 1973, Nr. 35. [DWDS] (zeit.de)

In Schneiders Grappa- und Espresso-Italien bricht dann aber gottlob nach wenigen Seiten eine italienische Freundin ein, die Lenz in die linke Schickeria Roms einführt. Hier, wo Filmleute als Abendgarderobe Latzhosen tragen, „die das Abbild der Arbeitskleidung eines Tankwarts waren“, wo Wandgemälde die Leiden von Arbeitern zeigen, Gemälde, „nur für Leute erschwinglich, die für die dort dargestellten Leiden mitverantwortlich waren“, hier leistet Schneiders Erzählen sofort wieder Widerstand gegen das Beobachtete.

Die Zeit, 9. 11. 1973, Nr. 46. [DWDS] (zeit.de)

Forschen Sie also in der Hafengegend nach dem San Telmo, wo es vorzüglichen Rochen mit Kapern und schwarzer Butter gibt. Der gleiche Wirt, ein Franzose, besitzt das Olivio, wo abends die Schickeria bei Kerzen (Tisch vorbestellen) Blinis mit rotem Kaviar und Crème speist.

Die Zeit, 29. 3. 1974, Nr. 14. [DWDS] (zeit.de)

Das Publikum in der Kölner Sporthalle: das war die engagierte und enragierte Linke bis zu den Rändern der linken Schickeria. In der Gegenüberstellung zu ihm wird auch klar, wie sehr Biermann ein Gast aus ziemlich fernen Welten ist. Er gehört, gewiß, auch in die weltweite Protestsong-Szene hinein.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. 11. 1976, Nr. 258, S. 23.

Gemeinsam hatten die Prominentenkinder indes eine fragwürdige Publizität, die in Münchens Schickeria, die absolut nichts zu tun hat mit der wirklich feinen Gesellschaft, die Halbseide erst so richtig griffig macht […]: Wer nicht wenigstens einmal im Monat in einer der Klatschspalten der Boulevardzeitungen – sei es gegen milde Gaben, sei es gegen Naturalien – erscheint, der ist nicht wer.

Die Zeit, 24. 12. 1976, Nr. 53. [DWDS] (zeit.de)

Axmann gerät dann auf das glatte Parkett der Münchner Schickeria. Den Zugang zu diesen Kreisen verschaffen ihm seine Einladungen zu kostenlosen Urlaubsreisen für Prominente: Bald macht die halbe Mannschaft des FC Bayern auf Kosten Axmanns Ferien; dann spielt er die Rolle des Mäzens für den Münchner Radclub „Arno.“, für den er die bekannten Fahrer Sigi Renz und Wolfgang Schulze einkauft. Ein Dutzend Orden und Titel, „Cavalière“ und „Commendatore“, folgen aus Italien.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. 4. 1977, Nr. 92, S. 8.

Die Gastgeber-Stadt Sydney, die größte des fünften Kontinents, zeigte sich am Wochenende von ihrer schönsten Freizeitseite: Frühjahrswärme, Sonnenschein, nur gelegentliche Regentropfen (die allerdings mehrere Spielunterbrechungen bedingten), Sekt Marke „Seppel“, von den Nachfolgern eines deutschen Einwanderers produziert, und dicke Krebse aus Queensland für die Schickeria, die sich an den Courts von White City versammelt hatte.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. 10. 1979, Nr. 234, S. 19.

Zum Kokain war der Angeklagte während des Studiums in München gekommen, wo seine damalige Freundin Chefin einer Diskothek war. Er selbst stammt aus gutem Hause, sein Vater war kaufmännischer Direktor einer größeren Firma in Frankfurt. Der Angeklagte betrieb sein Jura-Studium lustlos, da er aufgrund früher Beschäftigung mit Pferden eigentlich Tierarzt werden wollte, aber am Numerus clausus gescheitert war. In seinem neuen Bekanntenkreis, der Münchner „Schickeria“, sei es nicht ungewöhnlich gewesen, daß man gelegentlich „ein Näschen voll Kokain herumgehen ließ“, sagte er einmal aus. In Los Angeles habe er weitere Erfahrungen mit der Droge gemacht.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. 7. 1983, Nr. 159, S. 29.

Wo vor einigen Jahren noch im Innern der Altstadt die kleinen Gassen den Touristen zum Bummeln vorbehalten waren, […] tummelt sich nun das junge Schickeria-Volk. „Mir san die Haute Volée, mir san der Überschmäh. Mir san a Wahnsinn, mir san in!“ heißt es dann auch in einem der neuesten Austro-Pop-Produkte […], in dem über die heimischen Auswüchse der „Szene“ der musikalische „Schmäh rennt“.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26. 8. 1983, Nr. 197, S. 21.

[…]„‚New York‘ zu laufen“, sagte Reuben Garcia, ein langlauferfahrener Psychotherapeut aus dem texanischen San Antonio, sei „so etwas wie eine Eroberung dieser Stadt mit ihren überspitzten Kontrasten von schäbiger Armut und glitzerndem Reichtum, von ausgebrannten Häuserzeilen und vorgesetzten Prunkfassaden.“

Einmal im Jahr sind Harlem und die Bronx für ein paar Stunden ihren Ruf los, „gefährlich zu sein“, wird die Exotik der jüdischen und arabischen Wohnviertel in Brooklyn laufend entdeckt, steht die „Upper Eastside“ mit ihren teuren Restaurants und sonstigen Schickimicki allen offen, zumindest auf der Straßenmitte.

Der Spiegel, 5. 11. 1984, S. 236. [IDS]

Wer gehört dazu? Jedenfalls, urteilen erfahrene Frankfurter, gebe es keine geschlossene Elite, keine Schickeria wie in München, keinen Klüngel wie in Köln, keine Clubgemeinschaft nach Stuttgarter oder Hamburger Muster. Natürlich, wenn ein Neuer wie Volker Hauff von außen hereinschneit, laden ihn die FAZ-Herausgeber zum Essen in den vornehmen Frankfurter Hof.

Die Zeit, 8. 3. 1985, Nr. 11. [DWDS] (zeit.de)

Gewiß, Schickimicki & Co. kommen hier wohl kaum auf ihre Kosten, notorische Bangkok-Flieger und lockere Bartresen-Urlauberdito – Pakistan ist so muslimisch zugeknöpft und abstinent, wie der martialische Staats-Führer General Zia ul-Haq es befiehlt.

Die Zeit, 26. 4. 1985, Nr. 18. [DWDS] (zeit.de)

Pilzartig wächst eine Sonderklasse von Besserverbrauchern und entwickelt in den Großstädten der Bundesrepublik eine bläßliche neue Subkultur: die sogenannten Schickis oder Schickimickis, nahe Verwandte der Yuppies (Young Urban Professionals). […]Sie bestimmen nicht nur über den Erfolg und Wechsel von Moden, Bars und In-Lokalen, von Umgangsformen, Hunderassen oder Fahrzeugarten.

Der Spiegel, 23. 2. 1987, S. 256. [DWDS]

Selbst als schlichter Skihase hat man gute Chancen auf einen Platz bei „Vroni“, obwohl die urgemütliche Hütte natürlich auch von der Schickeria und ihren Adabeis frequentiert wird. Statt Austern und Gänseleber gibt es köstliche Älplermakkaroni oder Käsegratin.

Die Zeit, 1. 4. 1988, Nr. 14. [DWDS] (zeit.de)

[…]Zehn Vorführräume, keiner kleiner als 180 Plätze, meterhohe Boxentürme und eine 22 Meter lange Großleinwand im Hauptsaal sollen sich da zum luxuriösen Riesenkino fügen – eine „perfekte Traumwelt mit dem Flair der fünfziger Jahre“ (Flebbe). Außer der Filmkunst soll ein Sortiment von „Cocktails, Snacks und Schickimicki“ im Foyer geboten werden, dazu noch drei Restaurants, in denen der Kino-Yuppie seine Hummersuppe löffelt. Flebbe: „McDonalds kommt mir nicht ins Haus.“

Der Spiegel, 13. 2. 1989, S. 202. [IDS]

Wenn in den Klatschspalten der drei Münchner Boulevardzeitungen verlautbart worden ist, wer wo wann mit wem was getrieben hat, kommmt der Nachklapp „Gesichtet“. Wer da aufgelistet ist, hat es unter den Schickimickis geschafft.

Die Zeit, 10. 4. 1992, Nr. 16. [DWDS] (zeit.de)

Doch die zur 100. Sendung eingeladenen Streithähne sagten im letzten Moment ab. Ersatzweise geht es nun um die Unterschiede zwischen „feiner Gesellschaft“ und „Schickeria“. Die aufregendere Diskussion fällt aus, und Hachmeister hat recht: Das Fernsehen ist feige.

Der Spiegel, 23. 11. 1992, S. 306. [IDS]

Höchst nützlich wird er uns sein beim Durchschauen des derzeitigen Kapitalismus, des unverschämtesten, den es je gab. Liessmanns Buchtitel „Karl Marx – Man stirbt nur zweimal“ ist schickimicki, unangemessen dem wichtigen Inhalt des Buches.

Die Zeit, 7. 5. 1993, Nr. 19. [DWDS] (zeit.de)

Diese Sensationslust ist hauptsächlich nur in Kitzbühel vorhanden. Da ist der Wettkampf oft zweitrangig, Schickimicki eben. Im Prinzip ist es nur hektisch.

Berliner Zeitung, 16. 1. 1995. [DWDS]

Bussi hier, Bussi da. Schwabings Schickimicki beehrt mit BMW und Daimler und natürlich auch Landrover ihre Stammhotels und der Juniorchef der „Post“ kümmert sich persönlich um die betuchten, bepelzten Gäste.

Berliner Zeitung, 11. 1. 1996. [DWDS]

[…]Jürgen Dressler, Beigeordneter für Stadtentwicklung in Duisburg, setzt deshalb auf die „materiell befähigten endogenen Potentiale“ des Viertels. „Es gibt hier keine Yuppies und Struppis wie in Kreuzberg, und auch keine Schickis und Mickis. Nur die Mercedestürken können Marxloh retten. “

Die Zeit, 29. 8. 1997, Nr. 36. [DWDS] (zeit.de)

In anderen Städten trifft sich an solch ungewöhnlich schönen Orten meist die so genannte Schickeria. […] In Mainz ist die „Schnösel-Gemeinde“ klein – und tummelt sich ohnehin lieber in den edlen Lokalen im benachbarten Wiesbaden.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 20. 2. 2000, Nr. 7, S. 11.

Vielleicht fühlt sich mancher im gewandelten Kiez, zwischen Schicki und Micki, nicht mehr wohl, während die aufreizend laute City für andere aus fernen Gegenden genau das ist, was sie so lange gesucht haben. […]Unübersehbar, dass die Möbelwagen aus dem Regierungsbezirk immer öfter hinaus an den Stadtrand fahren.

Der Tagesspiegel, 11. 9. 2000. [DWDS]

Und Moshammer konnte neben seinen Talenten als Modeschöpfer und Selbstvermarkter vieles, was nicht nur die Herzen der Münchner Schickeria bezauberte. […]Angefangen von seinem Wiesnlied „Moos hamma“, das Oktoberfestbesuchern die Bierpreise ins angenehm Imaginäre rückte, bis zu seinem karitativen Engagement. […]

[…]Die Zahl der Anekdoten, die sich in München um Moshammer ranken, ist Legion – etwa, wie er es bewerkstelligte, daß in einer sozialen Einrichtung eine der besten Kaffeemaschinen der Stadt steht. Indem er sich einfach mit der Inhaberin eines großen Kaffeeimports verbinden ließ, die er bis dahin nicht kannte – und sie davon überzeugte, daß auch Bedürftige einen guten Espresso schätzten. Moshammer wußte zwar auf der Klaviatur der bajuwarischen Bussi-Gesellschaft virtuos zu spielen. Er kannte aber die Gefahr, ganz in der Welt des kurzlebigen Flitters aufzugehen.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. 1. 2005, Nr. 12, S. 7.

Dann gelangte der Begriff [chic; NM] ins Russische und „remigrierte“ in die deutsche Sprache, jedoch mit einem Bedeutungswandel. Eine nutzlose, dekadente und inhaltslose Gesellschaft – das ist die Schickeria. Das Adjektiv dazu lautet „schickimicki“.

Rhein-Zeitung, 5. 4. 2008. [IDS]

Es ist eine scheinbar verkehrte Welt: Die West-Linken im Wedding klagen über die „Schickimickis“ aus dem Osten, die sich seit einiger Zeit auch bei ihnen breit machten. Die kleinen Rentner und Sozialhilfeempfänger fühlen sich von der Gentrifizierung bedroht, sagt Werner Schulten vom Bundesparteivorstand, der heute beim Wahlkampf in der Müllerstraße aushilft.

Die Zeit, 16. 9. 2011, Nr. 38. [DWDS] (zeit.de)

Ultras sind sehr unterschiedlich, individuell wie auch als Gruppe. Die Ultras Nürnberg haben nicht viel mit der Schickeria in München gemein, das Commando Cannstatt in Stuttgart tickt anders als die Wilde Horde in Köln. „Aber es ist interessant, dass wir es mit einer Jugendkultur mit eigentlich konservativen Werten zu tun haben“, sagt Linkelmann. „Freundschaft ist zentraler Wert, dazu kommt ein stark ausgeprägter Heimatpatriotismus: für unsere Mannschaft, für unseren Verein, für unsere Stadt, für unsere Gruppe.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. 9. 2011, Nr. 223, S. 34.

Weil bodenständiger und weniger schickimicki als die Toskana , spannender als die Emilia Romagna, sauberer als die Adria und weniger mafiös als der ganze südliche Rest. […]Dass der schönste Grund, nach Umbrien zu fahren, ein eigentümliches Licht ist, wie es in Museen auf Bildern alter Meister abgebildet ist, sieht man erst vor Ort.

Die Zeit, 6. 6. 2012, Nr. 19. [DWDS] (zeit.de)

Der Spaß des Autorenfilmers an der Freud drückt sich in seinem Perfektionismus – wie Dietl selbst sagt: in seiner Pedanterie – aus. Handwerklichen Feinschliff brachte 1986 auch die Erfolgsserie „Kir Royal“ um den Münchner Klatschreporter Baby Schimmerlos mit […], danach ging es Richtung große Leinwand. Mit „Schtonk!“, dem Film über die „Stern“-Affäre um die gefälschten Hitler-Tagebücher, gelang Dietl nicht nur eine Oscar-Nominierung, sondern, viel wichtiger, der erste Film, in dem sich Deutschland traute, über Hitler zu lachen. Seinem Lebensthema, der Schickeria-Scheinwelt von Film, Fernsehen und Medien, blieb er auch in „Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief“ (1997) treu […], durchaus mit dem Mitteln künstlerischer Selbstausbeutung – indem er sich, seinen Freunden Bernd Eichinger, Wolf Wondratschek und Patrick Süskind sowie seinem Stammitaliener ein ironisches Denkmal setzte.

FAZ.NET, 22. 6. 2014.

[…]Das wäre viel zweifelhafte Ehre für einen einzelnen Menschen. Gore Vidal, der grösste Gegenspieler von Truman Capote, hat das sogar noch zugespitzt und erklärt: Capote habe den Unterschied zwischen guter Gesellschaft und Schickeria gar nicht gekannt. Anders als Marcel Proust, dessen «Recherche» oft als mögliches Vorbild für Capotes «Erhörte Gebete» genannt wird, habe er lediglich über boshafte, verlogene und geldgierige Leute geschrieben, so wie er selbst auch gewesen sei.

Neue Zürcher Zeitung, 25. 10. 2014, S. 57; Spiegelkabinett für einen Autor. [IDS]

[…]Vielleicht ist auch nicht mehr zu erwarten bei einem Stück, dessen Grundhandlung so simpel ist, dass seine Adaption als Musical berühmter wurde als die Vorlage selbst. My Fair Lady kennen schon Teenager, der Stoff ist schnell erzählt: Dummerchen ohne Manieren platzt in die feine Gesellschaft, die Schickis trichtern ihm Benimm und Wortschatz ein und wetten darauf, das ordinäre Ding zu bändigen, aber klaro, so dumm ist das Ding dann doch nicht und macht sich im richtigen Moment, als sich alle gerade milieuverschränkend ineinander verlieben sollen, davon.

Die Zeit, 23. 3. 2016, Nr. 14. [DWDS] (zeit.de)

Welche Bilder werden da evoziert? „Hautevolee“: die vornehme Gesellschaft, auch „Schickeria“ genannt – das sind die mit dem Sektglas in der Hand; ein Klüngel von Nichtstuern, die jemanden hofieren um eines erhofften Vorteils willen. […]Van der Bellen, ein Ökonomieprofessor aus Wolkenkuckucksheim, der „nie in seinem Leben in der freien Wirtschaft“ gearbeitet habe, wie Hofer seinem Gegner vorwarf – ausgerechnet er, der kaum drei Jahre lang in einem Unternehmen tätig war, ehe er sich einer lupenreinen FPÖ-Parteikarriere hingab.

profil, 23. 5. 2016, S. 48,49,50; Die Vertreibung der Vernunft. [IDS]

Münchner sind distanzierter, respektvoller, zurückhaltender, als ich es aus Berlin, Hamburg und Manchester gewohnt war, wo ich zuvor gespielt habe. Viele sagen, das hängt mit dem Schickimicki zusammen, der Arroganz, die den Münchnern woanders zugeschrieben wird, aber ich empfinde das überhaupt nicht so. […]Anfangs dachte ich auch, dass hier alles etwas unlocker ist, aber je bekannter ich wurde, desto mehr wusste ich diese Gelassenheit anderen gegenüber, und natürlich besonders mir gegenüber, zu schätzen.

Zeit Magazin, 25. 5. 2017, Nr. 19. [DWDS] (zeit.de)

Spielerfrauen in strassbesetzten Kleidern. Aber die Münchner Schickeria, wie man sie kennt, gibt es so nicht mehr. Das ist eher eine Helmut-Dietl-Erfindung der 1980er.

Zeit Magazin, 25. 5. 2017, Nr. 19. [DWDS] (zeit.de)

einestages: Bekannt waren sie auch für ihre humorvollen Texte: Wenn Sie sich etwa in „Schickeria“ die Münchener Schickimicki-Gesellschaft vorknöpften, mit Zeilen wie „Gestern hamma g’hascht, doch heidstag schnupf ma Kokain“.

[…]Sigl: Es war die Zeit, als es plötzlich überall Türsteher, „Gorillas“, gab. Zum Beispiel im Schwabinger Promitreff „Die Klappe“. In den Laden kamen wir mit unseren Parkas und langen Matten nie rein. Die Kneipe wurde bald zum Drogenumschlagplatz und geschlossen. So mancher Gast landete in Stadelheim im Knast. Das war die Inspiration zum Lied.

Spiegel Geschichte. (spiegel.de)

Auflösung vom 2. August:

Waagerecht: […] 36 Mauersegler (Vogelart, schläft beim Fliegen) 40 Teil(-Habe; Adabei = Mitglied der Schickeria)

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9. 8. 2019, Nr. 183, S. 7.