Wortgeschichte
Entlehnung aus dem romanischen Raum
Das Verb revoltieren gelangt über die romanischen Sprachen in den deutschsprachigen Raum: Entlehnt wird es aus dem mittelfranzösischen révolter, das seit dem 15. Jahrhundert zunächst in der Bedeutung sich drehen, sich wenden
, dann die Seite, Partei wechseln; sich von etwas abwenden
und ab dem 16. Jahrhundert auch in den Bedeutungen gegen etablierte Autoritäten rebellieren
sowie sich empören
bezeugt ist (vgl.
TLFi unter révolter). Das französische révolter geht seinerseits auf italienisch rivoltare
zurückwenden, umwenden, umstülpen
zurück, eine Intensivbildung zum gleichbedeutenden rivolgere, das schließlich auf das lateinische revolvere
zurückrollen, zurückdrehen
zurückzuführen ist. Im Deutschen ist revoltieren seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts belegt (vgl.
Pfeifer unter revoltierenDWDS sowie 1DFWB
3, 411–412).
Bedeutungsspektrum
Im deutschsprachigen Raum trägt das Verb zunächst – dafür spricht auch die entsprechende Buchung in Gladovs Wörterbuch A la Mode-Sprach (1727, vgl.
A la Mode-Sprach, 595–596) – zentral die Bedeutung abfallen, abtrünnig werden
(1649, 1712). Daneben ist die Bedeutung aufbegehren, sich empören
, auch gegen etwas oder jemanden rebellieren
, belegt (1682, 1699; vgl. auch eine entsprechende Bedeutungsangabe in 1717). Diese Bedeutung hält sich bis in die Gegenwart stabil (1867a, 1911, 1959, 1998a). Revoltieren bezeichnet gegenüber revolutionierenWGd, das die Bedeutung durch eine Revolution eine neue Ordnung einführen bzw. herbeiführen wollen; etwas/jemanden auf eine Revolution vorbereiten
trägt, in der Regel schwächere und weniger weitreichende Formen des Aufbegehrens (1988). In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begegnet revoltieren gelegentlich in Zusammenhang mit den Studenten- und Protestbewegungen der Zeit, gerade hier auch abgeschwächt als protestieren, demonstrieren
(1970, 1983b; vgl.
1DFWB
3, 411–412).
Ausgehend von der gesellschaftlich-politischen Bedeutungslinie wird das Verb seit dem 19. Jahrhundert auch auf den menschlichen Körper und seine Organe übertragen (1887, 1905, 1929, 2002; wohl eher den Status einer ad-hoc-Übertragung, die interessanterweise gerade auf die Metapher des Staatskörpers bezogen ist, hat die Verwendung in Beleg 1724). Jünger wird das Wort zudem auf weitere Bereiche übertragen (1983a, 1998b, 1999). Daneben treten seltener auch Verwendungen im Sinne von (tiefgreifend) verändern
(1845, 1918, 1919), die hier nunmehr eine gewisse Nähe zur übertragenen Verwendung von revolutionierenWGd aufweisen.
Das Verbalsubstantiv Revoltierung
Das Verb revoltieren ist das älteste im Deutschen belegte Wort der Wortfamilie. Dazu begegnet seit der Mitte des 17. Jahrhunderts Revoltierung (1685, 1840). Es ist damit in etwa zeitgleich zu RevolteWGd (1653) belegt. Während es sich bei Revolte um eine Entlehnung aus französisch révolte handelt, wird Revoltierung als Verbalsubstantiv zu revoltieren im Deutschen gebildet. Die beiden Wörter haben semantische Überschneidungen, auch Revoltierung kann Aufstand, Aufruhr
bedeuten (1725, 1766, 1857). Gegenüber Revolte ist Revoltierung allerdings semantisch weiter gefasst und kann neben der stärkeren Betonung des Prozesshaften eines Aufstandes (1895) etwa auch etwas/jemanden aufwiegeln, zur Revolte anstiften
bedeuten (1867b).
Daneben sind seit Ende des 18. Jahrhunderts mit Revoltierer, das in etwa zeitgleich zu dem seit Beginn des 19. Jahrhunderts belegten RevolteurWGd erstmals bezeugt ist, sowie Revoltierender, das Ende des 19. Jahrhunderts gebildet wird, zwei weitere Verbalsubstantive zu revoltieren belegt.
Literatur
A la Mode-Sprach Gladov, Friedrich: A la Mode-Sprach der Teutschen Oder Compendieuses Hand-Lexicon. Jn welchem die meisten aus fremden Sprachen entlehnte Wörter und gewöhnliche Redens-Arten, So in denen Zeitungen, Briefen und täglichen Conversationen vorkommen, Klar und deutlich erkläret werden. Nürnberg 1727. (deutschestextarchiv.de)
1DFWB Schulz, Hans/Otto Basler: Deutsches Fremdwörterbuch. Weitergeführt im Institut für deutsche Sprache unter der Leitung von Alan Kirkness. Bd. 1–7. Straßburg bzw. Berlin 1913–1988. (owid.de)
Pfeifer Pfeifer, Wolfgang u. a.: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (1993), digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache. (dwds.de)
TLFi Trésor de la language française informatisé (Trésor de la language française, sous la direction de Paul Imbs/Bernard Quemada. Bd. 1–16. Paris 1972–1994). (atilf.fr)