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kungeln Kungelei

Politik & Gesellschaft

Kurz gefasst

Das Verb kungeln geht auf das bereits althochdeutsch bezeugte Substantiv Kunkel, mit dem beim Spinnen ein stabförmiges Gerät bezeichnet wird, zurück. Kungeln entwickelt neben der auf das Handwerk bezogenen Ursprungsbedeutung Spinngut an der Kunkel befestigen, die seit dem 17. Jahrhundert bezeugt ist, zunächst in den Dialekten übertragene Bedeutungen wie heimlich reden und heimlich Geschäfte betreiben. Der Aspekt des Heimlichen und Verschwiegenen ist auch bei der seit der Mitte des 20. Jahrhunderts sich in der Standardsprache etablierenden pejorativen Verwendung von kungeln im Sinne von geheime Absprachen treffen zentrales Merkmal. Die Wortbildungen Kungelei und Gekungel liegen seit dem 18./19. Jahrhundert in übertragener Bedeutung vor.

Wortgeschichte

Herkunft

Das Verb kungeln wird von den etymologischen Wörterbüchern auf das bereits althochdeutsch bezeugte feminine Substantiv Kunkel zurückgeführt (kunkulaahd., s. EWA 5, 887 und konakla/klonaklaahd., s. EWA 5, 690). Das aus dem Lateinischen entlehnte Wort (s. MLW 2, 893 unter colucula/conuculalat.) bezeichnet ein stabförmiges Gerät, das beim Spinnen verwendet wird, um den Vorrat an noch unversponnenen Fasern zu befestigen. Für dieses Handwerksgerät gibt es landschaftlich neben Wortvarianten wie beispielsweise Gunkel und Konkel auch andere Bezeichnungen wie Rocken/Spinnrocken oder Wocken (vgl. Lühr 2014). Als Familienname ist das alte Wort Kunkel erhalten geblieben (vgl. DFD online), als Gerätebezeichnung ist es – wie das Handwerk der Spinnerei selbst – nicht mehr allgemein bekannt.

Ein früher Nachweis auf ein von Kunkel abgeleitetes Verb findet sich im 17. Jahrhundert bei Kaspar Stieler im Teutschen Sprachschatz, der die Wortform kunkelen mit der lateinischen Angabe linum colo aptare aufführt, sich bei seiner Bedeutungsangabe also auf das Anlegen der Fasern an die Kunkel bezieht (Stieler, 443; vgl. auch FWB 8, 1821).

Heimliches Reden in der Kunkelstube

Von der Ursprungsbedeutung Spinngut an der Kunkel befestigen/festwickeln ausgehend entwickelt das Verb kunkeln/kungeln vielfältige Bedeutungsvarianten in den deutschsprachigen Dialekten, wobei stets der Aspekt des Heimlichen und Verschwiegenen im Zentrum der gewandelten Bedeutungen steht. Die in den Dialektwörterbüchern verzeichneten übertragenen Verwendungen wie insgeheim besprechen (Idiotikon 3, 365) oder heimlich reden, hinterrücks reden, munkeln, heimlich thun (vgl. Frischbier 1882 1, 446) sind auf die besondere Kommunikationssituation in den Spinnstuben zurückzuführen, in denen traditionell Frauen gemeinschaftlich das Handwerk des Spinnens an der Kunkel ausführten (1838a; vgl. 2004).1) Diese als Kunkelstuben (1838b; vgl. 1DWB 5, 2663) und auch metonymisch mit dem Wort Kunkel bezeichneten Spinnstuben können als private und geschützte Räume begriffen werden, in denen Frauen in Geselligkeit ungestört Gespräche führen und Geheimnisse austauschen konnten (vgl. Goethes spöttischen Ausdruck Kunkelstubengeschnatter, GWB 5, 794).

Geheime Absprachen im Hinterzimmer

Bis ins 20. Jahrhundert ist kungeln abgesehen von Nachweisen in (Dialekt-)Wörterbüchern nur vereinzelt belegt (1783). Ein regelmäßiger Gebrauch ist seit der Mitte des 20. Jahrhunderts zu verzeichnen, wobei auch die ältere Form kunkeln gelegentlich noch vorkommt.

Kungeln ist seit den 1950er Jahren in den zuvor dialektal gebräuchlichen Bedeutungen2) geheimen (Tausch-)Handel treiben (1956, 1964, 1979) und etwa 20 Jahre später in der Bedeutung heimliche Absprachen treffen (1974, 1977) bezeugt. Offenbar verliert kungeln seitdem allmählich seinen dialektalen Charakter: Es sei ein Sprechwort auf dem Vormarsch zum Schreibwort wird in einer Glosse der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die sich dem Wort im Jahr 1969 widmet, beobachtet. Der im Jahr 1973 neu aufgelegte Rechtschreibduden nimmt das Verb kungeln erstmals auf. Dazu schreibt das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL: Immer mehr Umgangssprache wird salonfähig und nennt u. a. kungeln als Beispiel für nun (durch Aufnahme in den Duden) etabliertes Schriftdeutsch (1973a, 1973b). In zeitgenössischen Wörterbüchern wird kungeln noch als umgangssprachliches Wort gekennzeichnet, jedoch sind sowohl kungeln als auch die Wortbildungen Gekungel, Kungelei und auskungeln in fragwürdiger Weise heimlich Absprachen aushandeln in deutschsprachigen Tageszeitungen (auch in Überschriften wie Autohersteller sollen auch bei Benzinmotoren gekungelt haben 2018) uneingeschränkt gebräuchlich. Man kann davon ausgehen, dass kungeln und seine Wortbildungen inzwischen von der Sprachgemeinschaft als standardsprachlich empfunden werden.

Wortverbindungen und Wortfeld

Das Verb kommt zum Beispiel in den Verbindungen miteinander kungeln und ungeniert kungeln (1992) sowie um Macht/Posten kungeln vor. Das in der übertragenen Bedeutung enthaltene semantische Merkmal des Heimlichen drückt sich in einzelnen Wortumgebungen aus, wie etwa in: hinter den Kulissen (1976), hinter verschlossenen Türen (2015a) und im HinterzimmerWGd kungeln (2008; auch Hinterzimmer-Kungeleien 1998). Kungeln steht zudem häufig im Kontext mit dem Wort VetternwirtschaftWGd (2015b) und wird synonym zu klüngelnWGd (1986) und dem mittlerweile als diskriminierend empfundenen Verb mauscheln verwendet (1975, 1987; zu mauscheln vgl. Duden online).

Kungelei und Gekungel

Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist auch die Wortbildung Kungelei, zuerst in der Wortform Kunkelei, bezeugt (1762, 1791). In den Wörterbüchern des 19. Jahrhunderts ist die Bildung mit den Angaben Klatscherei, geheimer Verkehr (Heyse Handwörterbuch 1, 955) und Durchstecherei, welche sich in Geflüster kundgiebt, hinter dem Rücken eines andern handelt (Frischbier 1882 1, 446) aufgeführt. In dieser Zeit kommt das Wort beispielsweise in den Verbindungen Kungeleien und Fickfackerei (1806), Schleich=Handel und Kungeleien treib[en] (1829), heimliche Kunkeleien (1844) und diplomatische Kunkelei (1877, gegenwärtig: 2013) vor.

Heute wird Kungelei in der Bedeutung geheime Absprache, verwendet (2000). Das Suffix -ei hat hier (wie auch bei der Bildung KlüngeleiWGd) weniger pejorative Wortbildungsfunktion, sondern kann als salopp-scherzhaft aufgefasst werden (vgl. Fleischer/Barz 2012, 198–199).

Auch die substantivische Präfixbildung Gekungel/Gekunkel findet sich in Texten des 19. Jahrhunderts, unter anderem in der sich reimenden Paarformel Gemunkel und Gekunkel (1806, 1855). Gegenwärtig ist die Bildung in der Lesart (dauerndes) Kungeln geläufig (2010).

Anmerkungen

1) Vgl. die einschlägigen etymologischen Wörterbücher (5Duden Herkunft, 25Kluge, Pfeifer). Das 1DWB 5, 2662 weist im Artikel kunkeln auch auf mögliche etymologische Verwandtschaft zu anderen Wörtern, beispielsweise zu dem bedeutungsähnlichen Wort klüngelnWGd, hin.

2) Vgl. die Angaben in Dialektwörterbüchern: heimlich tauschen und verkaufen (Schambach 1858, 116), heimliche Ränke u. Pläne schmieden, betrügen u. lügen (Koolmann 1882, 407), heimlich u. unredlich verhandeln (Rheinisches Wörterbuch 4, 1730), kleine, meist heimliche Tausch- oder Kaufgeschäfte machen (MeWb 2, 778).

Literatur

DFD Digitales Familienwörterbuch Deutschlands (DFD). (namenforschung.net)

5Duden Herkunft Duden – das Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache. 5., von Jörg Riecke neu bearbeitete Aufl. Berlin u. a. 2014.

Duden online Duden online. Hrsg. von der Dudenredaktion. Mannheim 2011 ff. (duden.de)

1DWB Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Bd. 1–16. Leipzig 1854–1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971. (woerterbuchnetz.de)

DWDS DWDS. Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute. (dwds.de)

EWA Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen. Bd. 1 ff. Göttingen u. a. 1988 ff. (saw-leipzig.de)

Fleischer/Barz 2012 Fleischer, Wolfgang/Irmhild Barz: Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. 4., völlig neu bearbeitete Aufl. unter Mitarbeit von Marianne Schröder. Berlin/Boston 2012.

Frischbier 1882 Hermann Frischbier: Preußisches Wörterbuch. Ost- und westpreußische Provinzialismen in alphabetischer Folge. Bd. 1–2. Berlin 1882–1883. (archive.org)

FWB Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Hrsg. von Robert R. Anderson [für Bd. 1]/Ulrich Goebel, Anja Lobenstein-Reichmann [ab Bd. 5], Oskar Reichmann. Bd. 1 ff. Berlin u. a. 1986 ff. (fwb-online.de)

GWB Goethe-Wörterbuch. Hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften [bis Bd. 3, Lfg. 4. Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin/Akademie der Wissenschaften der DDR], der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen und der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Bd. 1 ff. Stuttgart 1978 ff. (woerterbuchnetz.de)

Heyse Handwörterbuch Heyse, Johann Christian August: Handwörterbuch der deutschen Sprache: mit Hinsicht auf Rechtschreibung, Abstammung und Bildung, Biegung und Fügung der Wörter, so wie auf deren Sinnverwandtschaft. Bd. 1–3. Magdeburg 1833–1849. (digitale-sammlungen.de)

Idiotikon Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache. Bd. 1 ff. Basel/Frauenfeld 1881 ff. (idiotikon.ch)

25Kluge Kluge – Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearb. von Elmar Seebold. 25., durchgesehene und erweiterte Aufl. Berlin/Boston 2011.

Koolmann 1882 Koolmann, Jan ten Doornkaat: Wörterbuch der ostfriesischen Sprache. Etymologisch bearbeitet. Bd. 1–3. Norden 1879–1884.

Lühr 2014 Lühr, Rosemarie: Spinne am Morgen bringt Kummer und Sorgen. In: Denkströme. Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Heft 13. Leipzig 2014, S. 9–25. (saw-leipzig.de)

MeWb Mittelelbisches Wörterbuch. Hrsg. von Hans-Joachim Solms, Paul Molitor, Ulrich Werner. Halle 2018. (uzi.uni-halle.de)

MLW Mittellateinisches Wörterbuch bis zum ausgehenden 13. Jahrhundert. In Gemeinschaft mit den Akademien der Wissenschaften zu Göttingen, Heidelberg, Leipzig, Mainz, Wien und der Schweizerischen Geisteswissenschaftlichen Gesellschaft hrsg. von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Begr. von Paul Lehmann und Johannes Stroux. Bd. 1 ff. Berlin 1967 ff. (woerterbuchnetz.de)

Pfeifer Pfeifer, Wolfgang u. a.: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (1993), digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache. (dwds.de)

Rheinisches Wörterbuch Rheinisches Wörterbuch. Auf Grund der von J. Franck begonnenen, von allen Kreisen des rheinischen Volkes unterstützten Sammlung. Bd. 1–9. Bonn/Berlin 1928–1971. (woerterbuchnetz.de)

Schambach 1858 Schambach, Georg: Wörterbuch der niederdeutschen Mundart der Fürstenthümer Göttingen und Grubenhagen oder Göttingisch-Grubenhagen’sches Idiotikon. Hannover 1858. (books.google.de)

Stieler Stieler, Kaspar von: Der Teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs oder Teutscher Sprachschatz/ Worinnen alle und iede teutsche Wurzeln oder Stammwörter/ so viel deren annoch bekant und ietzo im Gebrauch seyn/ nebst ihrer Ankunft/ abgeleiteten/ duppelungen/ und vornemsten Redarten/ mit guter lateinischen Tolmetschung und kunstgegründeten Anmerkungen befindlich. […] Nürnberg 1691. (mdz-nbn-resolving.de)

Belegauswahl

Zu den Congregtaionen würde man sie nicht gelassen, und sie würden dagegen keine gestattet, sondern begehret haben, daß dergleichen Kunkeleien in Religionssachen nichts taugeten, und daß die Wahrheit das Licht nicht scheue.

Sarpius, Paul: Historie des Tridentinischen Concilii. Zweiter Theil. Halle 1762, S. 116. (digitale-sammlungen.de)

Wie? Freche Vetteln, fragt ihr noch?
Wer hieß so heimlich und im dunkeln
Euch jüngst allein mit Macbeth kunkeln?
Und kaufen Hochverrath und Mord
Für eur prophetisch Zauberwort?

Bürger, Gottfried August: Macbeth ein Schauspiel in fünf Aufzügen nach Shakespear. […] Göttingen 1783, S. 64. (staatsbibliothek-berlin.de)

Der Umstand, daß neben der Zeitverschwendung durch die Zusammenkunft der vielen Frauensleute im Backhause unendlich viele Klatschereien, Streitigkeiten, Kungeleien, u. d. gl. m. veranlaßt werden, darf hier gleichfalls nicht unberührt bleiben.

Wehrs, Georg Friedrich: Oekonomische Aufsätze. Schwerin/Wismar 1791, S. 167. (digitale-sammlungen.de)

Was das alles für Kunkeleien und Fickfackereien waren! Mein Herr hätte sich nicht mit den rechten Pässen versehen: auf dem einen fehlte die Nase, auf dem andern das Ohr. Das meiste Gemunkel und Gekunkel hatten sie aber zu einander über meines Herrn Landschaftsuniform.

Reichardt, Johann Friedrich: Offne Briefe des Freiherrn Arminius von der Eiche und seines Leibjägers Hans Heidekraut. […] [Hamburg] 1806, S. 17. (books.google.de)

[…]Der Bauer selbst ist Schuld an seinem Verfalle, wenn er nicht fleißig genug ist, die Bauer=Arbeiten zu gehöriger Zeit zu verrichten, wenn er dem Spiele, dem Müßiggange, dem Trunke, dem Weine, der Uepppigkeit, oder dem Luxux ergeben ist, oder wenn die Bäuerin mit den Hausirern Schleich=Handel und Kungeleien treibt, um Kaffee, Zuker und neumodische Kleidungsstüke zu erhalten.

Bauernzeitung aus Frauendorf 11, 17. 8. 1829, Nr. 33, S. 257. (books.google.de)

Wir Schweſtern zwei, wir ſchoͤnen,
Wir ſpinnen in die Wett’,
Wir ſitzen an Einer Kunkel,
Wir ſchlafen in Einem Bett.

Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart/Tübingen 1838, S. 79. (deutschestextarchiv.de)

Eben hatte der Waͤchter die zwoͤlfte Stunde gerufen,
Alles iſt ruhig im Dorf und nirgend Licht mehr zu ſehen,
Nicht in den Kunkelſtuben geſellig ſpinnender Maͤgdlein,
Nicht am einſamen Stuhle des Webers oder im Wirthshaus.

Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart/Tübingen 1838, S. 180. (deutschestextarchiv.de)

Ich würde kein Ende finden, sollte ich Ihnen alle die heimlichen Kunkeleien erklären, welche um der Geliebten, um des Putzes, um der Kinder, um des Haushalts oder um der Eitelkeit willen gemacht werden, selten um der Tugend willen, darauf verlassen Sie sich.

Balzac, Honoré de: Sämmtliche Werke. Bd. 41: Scenen aus dem Pariser Leben. Bd. 1. Quedlingburg/Leipzig 1844, S. 159. (digitale-sammlungen.de)

Fern im Süden wird es dunkel,
Graue Zeiten werden jung;
Ein Gekunkel und Gemunkel
Geht durch die Bevölkerung.

Kladdradatsch. Humoristisch=satyrisches Wochenblatt 8, 16. 12. 1855, Nr. 57, S. [225]. (digitale-sammlungen.de)

[…] sodann der Arnimprocess mit seinen Enthüllungen über Bismarck’s „diplomatische Kunkelei und seine schon durch La Marmora gekennzeichnete Politik der kleinen Mittelchen“.

Nippold, Friedrich: Die Römisch-katholische Kirche im Königreich der Niederlande. […] Leipzig/Utrecht 1877, S. 319. (digitale-sammlungen.de)

Damals, als es nichts zu fressen gab, da fuhren wir los, auf dem Trittbrett der Eisenbahn. Wir klauten und kungelten und ernährten damit die Familie.

Die Zeit, 26. 4. 1956, Nr. 17. [DWDS] (zeit.de)

Auch auf der Frankfurter Messe wird nicht nur schöngeistig geplänkelt, sondern gehandelt, gefeilscht, gekungelt, betrogen, es werden Bücher bestellt, Autoren und Übersetzungsrechte verkauft wie schließlich andere Waren auch.

Die Zeit, 26. 6. 1964, Nr. 26. [DWDS] (zeit.de)

[…]Politiker stecken die Köpfe zusammen, verstohlener Blick über die Schultern, zufriedenes Nicken: Hier wird „gekungelt“. In offiziellem, gedrucktem Deutsch heißt das später, eine Absprache sei getroffen worden. Denn „kungeln“, das ist erst ein Ohr- und Gehirnwurm, das fließt noch nicht durch die Tintenfeder.Kungeln“ ist ein Sprechwort auf dem. Vormarsch zum Schreibwort. Die Sprache läßt es mit Vergnügen und etwas heimlicher Tücke über die Zunge rollen. […]Denn am „Kungeln“, beim Hermes, hängt ein Rüchlein von Intrige, Verschwörung, Heimlichtuerei. Es kungeln gern die Abgeordneten, Minister und die Lobbymenschen; doch können auch Kaufleute und Studienräte kungeln. Putzfrauen und Stenotypistinnen traut man es weniger zu, denn zum Kungeln gehört die Verschwiegenheit. Wenn die Leute kungeln, dann passiert Überraschendes, dann wird, zum Beispiel, jemand ausgebootet. Doch trotz dieser beunruhigenden Eigenschaft bleibt dem „Kungeln“ ein Gran Heiterkeit und Ironie: Wer andere beim „Kungeln“ erwischt, mischt Spott in den Vorwurf. Das Wort verbreitet sich; der „Klüngel“ und der „Dschungel“ fördern den assoziativen Absatz, und gewiß sind über die „Kunkel“ auch das „Haspeln“ und gar das „Spinnen“ Katalysatoren dieser schnellen Entwicklung. „Dunkel“ ist die Sprachfarbe des „Kungeins“, das kommt unserem altehrwürdigen Hang entgegen, den Gang der Dinge mit „Drahtziehern“ und „Hintermännern“ zu erklären. Mögen sie kungeln, wenn sie nur nicht schummeln!

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. 4. 1969, S. 2.

[…]Die neue, 17. Auflage des Rechtschreib-Duden, die in dieser Woche erscheint, wird 10 000 Wörter mehr enthalten, aber nicht dicker sein als die letzte. Die Neu-Aufnahmen spiegeln Zeitläufe: […] Immer mehr Umgangssprache wird salonfähig: Wer "Aufmüpfige" "Remmidemmi" machen oder "kungeln" läßt, bewegt sich vom 15. Mai an in etabliertem Schriftdeutsch.

Der Spiegel (online), 13. 5. 1973. (spiegel.de)

Dem immer stärkeren Eindringen der Umgangssprache in die Schriftsprache trägt der neue Duden ebenfalls Rechnung; als Beispiele seien aufmüpfig, kungeln und Remmidemmi genannt.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. 4. 1973, S. 2.

Dieses Gespräch hat es nie gegeben, leider. Kohl und Helmut Schmidt haben zwar in der Tat versucht, über die Zukunft der Steuerreform zu „kungeln“. Aber es ist nichts dabei herausgekommen.

Die Zeit, 19. 7. 1974, Nr. 30. [DWDS] (zeit.de)

Allerorten mauschelt, kungelt und buhlt die Kinoindustrie um Filmpreise oder -prämien.

Die Zeit, 30. 5. 1975, Nr. 23. [DWDS] (zeit.de)

Auch Grasmaier aber weiß, daß in jüngster Zeit hinter den Kulissen wieder eifrig gekungelt wird. […]Insider wollen von langen Unterhaltungen zwischen Strauß und Huber bei Spaziergängen am Tegernsee wissen.

Die Zeit, 30. 1. 1976, Nr. 06. [DWDS] (zeit.de)

Der Oberbürgermeister muß schließlich darauf bedacht sein, jemanden zu finden, mit dem er vertrauensvoll zusammenarbeiten kann, der in das Team „Magistrat“ paßt, von der Qualifikation ganz abgesehen. Zum Leidwesen wohl jeder Fraktion wird da zwangsläufig vorher „gekungelt“.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. 11. 1977, S. 50.

In den Warenhäusern und auf den „Fliegenden Märkten“ bot man wohl ebenfalls etwas feil: […]Gardinenringe, die golden glänzten, leere Konservenbüchsen (siehe die Paste vom Ostseestrand), leere Flaschen, Bindfaden, Holzsandalen. Doch Dinge von höherem, etwa „kaloristischem“ Wert wurden eher „gekungelt“, nämlich eingetauscht.

Die Zeit, 30. 11. 1979, Nr. 49. [DWDS] (zeit.de)

Knut Nevermann […] lernt gerade die Einsamkeit des Hierarchen kennen: Auf „Äquidistanz“ zu allen halten, nicht kungeln und nicht klüngeln, weder mit dem Betriebsrat noch mit anderen Grüppchen. „Jeder soll wissen, daß ich unabhängig und nicht in irgendwelche Seilschaften verstrickt bin.“

Die Zeit, 25. 4. 1986, Nr. 18. [DWDS] (zeit.de)

Er hat nie gekungelt, Bier getrunken und Koalitionen geschmiedet, wie Helmut Kohl es mußte, um an seine Ziele zu gelangen. Weggefährten erinnern sich, daß Stoltenberg jedesmal im Bett verschwand, wenn schwierige personalpolitische Entscheidungen zu treffen waren und gemauschelt werden mußte.

Die Zeit, 20. 11. 1987, Nr. 48. [DWDS] (zeit.de)

[…]Die Pläne für die „Neue Mitte Oberhausen“ fielen nun etwas bescheidener aus, und der Öffentlichkeit wurde das Vorhaben erst präsentiert, nachdem alle Beteiligten – Stadt, Land, Grundstückseigner, Investor – handelseinig geworden waren. Doch einiges spricht dafür, daß diesmal allzu ungeniert gekungelt wurde.

Die Zeit, 12. 6. 1992, Nr. 25. [DWDS] (zeit.de)

Die inkriminierte Behauptung Zieglers, bei der Auftragsvergabe durch die Saarbahn sei es zu einer „Hinterzimmer-Kungelei“ gekommen, sei als Kritik zumindest im Ansatz berechtigt, vor allem aber keine Beleidigung gewesen. Der Begriff „Hinterzimmer-Kungelei“ beschreibe vielmehr die saarländische Eigenart, daß „man den praktikableren Weg vorbei an der Bürokratie gewählt hat“. […]Nunmehr steht also gerichtsnotorisch fest, wohin Investoren streben sollten, wenn sie schnelle Entscheidungen im gepriesenen „Land der kurzen Entscheidungswege“ erreichen wollen, nämlich ins Hinterzimmer – und dort womöglich an einen opulent gedeckten Tisch. In der solchermaßen veranstalteten Kungelei etwas Unrechtmäßges sehen zu wollen, muß sich für den Kenner des Saarlandes verbieten, meint das Gericht. Kungelei charakterisiere, so das Urteil, „das beinahe familiäre Zusammengehörigkeitsgefühl der Saarländer und ihre Angewohnheit, ,alles unter sich’ zu regeln, möglichst unter Umgehung von Formalitäten“.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. 1. 1998, S. 4.

Mit der ewigen Konsenssuche am Rhein und der Kungelei zwischen Gewerkschaftern, Politikern, Banken und Industrie sei endgültig Schluss.

Die Zeit, 10. 2. 2000, Nr. 7, S. 40. [DWDS]

Über Jahrtausende hinweg nahm das Spinnen von Fasern eine wichtige Rolle insbesondere im Leben der Frauen ein. Im Winter kamen sie mit Kunkeln und Spinnrädern zusammen, um ihrer Arbeit gemeinsam nachzugehen. […]In diesen Spinnstuben wurden zur Unterhaltung besonders gerne Märchen erzählt und gehört.

Südkurier, 18. 9. 2004. [DWDS]

Und Kanzler wird derjenige, der nach der Wahl in den Hinterzimmern am besten kungelt, trickst und täuscht.

Die Zeit, 9. 10. 2008, Nr. 42. [DWDS] (zeit.de)

Das Wort Landesbank stand früher – besonders in Berlin – für Gekungel und Geschacher zwischen Politik und Wirtschaft, heute verbindet man damit obendrein hochspekulative Finanzdeals, die den Steuerzahler am Ende Milliarden und Abermilliarden kosten.

Der Tagesspiegel, 24. 2. 2010. [DWDS]

Vor allem kritisiert Snowden, dass die Regierung in Washington seine Bemühungen blockiere, Asyl zu finden. „Am Dienstag hat Präsident Obama gegenüber der Weltöffentlichkeit erklärt, dass er keine diplomatischen Kungeleien [Anmerkung: im Original wheeling and dealing] in meinem Fall zulassen will“, schreibt Snowden. […]Tatsächlich aber lasse Obama „Druck auf die Staatsführer der Welt“ ausüben, „die ich um Schutz gebeten hatte“.

Spiegel (online), 2. 7. 2013. (spiegel.de)

So will sie keine Ethikkommission installieren und kungelt die Vergabe der EM-Turniere weiter hinter verschlossenen Türen im Uefa-Vorstand aus.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (online), 4. 1. 2015. (faz.net)

Die Opposition hatte keine wesentlichen Einwände gegen die Ausmusterung des G36, forderte aber Maßnahmen gegen „Vetternwirtschaft“. Sowohl Grüne als auch Linke werfen dem Ministerium vor, mit Heckler & Koch gekungelt zu haben.

Die Zeit, 8. 9. 2015 (online). [DWDS] (zeit.de)

Autohersteller sollen auch bei Benzinmotoren gekungelt haben. […]Offenbar gibt es einen neuen Kartellvorwurf gegen BMW, Daimler und VW. Nicht nur beim Diesel sollen sich die Branchenriesen abgesprochen haben.

Frankfurter Allgemeine Zeitung (online), 21. 7. 2018. (faz.net)