Wortgeschichte
Ökologie als Lehre von der hygienischen Wohnungsanlage
Ökologie wird in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus dem griechischen οĩkos (οἶκος), das Haus, Behausung, Wohnung, Heimat
bedeutet, und dem vom griechischen logos (λόγος) Lehre, Kenntnis
abgeleiteten Suffix -logie gebildet. Erste Bezeugungen begegnen im Kontext der Lehre von der hygienischen Anlage von Wohnungen (1838, 1847; vgl. hierzu auch BioConcepts unter ecology sowie Hachmann/Koch 2016, 589–590). Schon während des 19. Jahrhunderts scheint die Verbreitung des Wortes in dieser Bedeutung insgesamt gering gewesen zu sein. Heute ist diese Verwendung nicht mehr gängig.
Ökologie als Wissenschaft von den Beziehungen von Lebewesen zu ihrer Umwelt
In der Forschung galt Ernst Haeckel lange als derjenige, der das Wort Ökologie geprägt hat: 1866 führt er es in die Biologie ein – mit verschiedenen, nicht unbedingt übereinstimmenden Definitionen (1866a, 1866b; vgl. auch Historisches Wörterbuch der Biologie 2, 681). Seither hat Ökologie die Bedeutung Wissenschaft von den Beziehungen von Lebewesen zu ihrer Außen- bzw. Umwelt
(vgl. zu semantischen Unterscheidung von Außenwelt und Umwelt auch UmweltWGd).
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Die Wortneuprägung ist dabei zugleich in einem spezifischen diskursiven Umfeld, genauer in dem von Haeckel maßgeblich im deutschsprachigen Raum verbreiteten Darwinismus, zu verorten. Das zeigt sich bis in Haeckels Definition des Wortes hinein, so an der Verwendung der Metapher des Kampfes ums Dasein sowie der darwinistischen Argumentationslinie einer Anpassung an die Umgebung
:
Die Oecologie der Organismen, die Wiſſenſchaft von den geſammten Beziehungen des Organismus zur umgebenden Außenwelt, zu den organiſchen und anorganiſchen Exiſtenzbedingungen; die ſogenannteOekonomie der Natur, die Wechſelbeziehungen aller Organismen, welche an einem und demſelben Orte mit einander leben, ihre Anpaſſung an die Umgebung, ihre Umbildung durch den Kampf um’s Daſein, insbeſondere die Verhaͤltniſſe des Paraſitismus u. ſ. w. Grade dieſe Erſcheinungen derNaturoͤkonomie, welche der Laie bei oberflaͤchlicher Betrachtung als die weiſen Einrichtungen eines planmaͤßig wirkenden Schoͤpfers anzuſehen pflegt, zeigen ſich bei tieferem Eingehen als die nothwendigen Folgen mechaniſcher Urſachen. [1868]
Haeckel erklärt dann die Herausbildung der Wechselwirkung zwischen Umwelt (Milieu) und Lebewesen […] durch die Deszendenztheorie als die mechanische Folge der natürlichen Züchtung im Kampf um das Dasein
(HWPh 6, 1146). Die hier sehr deutlich darwinistische Grundierung verliert das Wort in späteren Verwendungen.
Gleichwohl ist Haeckel nicht der erste, der das Wort Ökologie in den Wissenschaften verwendet: Bereits 1859 schlägt der französische Philosoph und Archäologe Antoine Charma œcologie als Bezeichnung für jenen Teil der Sozialanthropologie, der die menschliche Familie erforscht, vor (vgl. Töpfer 2016, 401). Ob Haeckel bei der Einführung von Ökologie als Fachterminus in die Biologie frühere Verwendungen des Wortes kannte, ist in der Forschung ungeklärt. Als gesichert gelten kann, dass Haeckel nicht nur Namensgeber der biologischen Teildisziplin ist, sondern auch, dass seine Definition bis in die Gegenwart hinein wirksam bleibt – und das, obwohl er selbst keine ökologischen Untersuchungen durchführt und Studien zur Ökologie erst ab Ende des 19. Jahrhunderts publiziert werden (vgl. Historisches Wörterbuch der Biologie 2, 681). Vor diesem Hintergrund findet das Wort innerhalb der Disziplin seit Ende des Jahrhunderts weitere Verbreitung (1897, 1914, 1927, 1948, 2005, vgl. daneben die Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers). Zugleich wird die ältere Bedeutung Lehre von der hygienischen Anlage von Wohnungen
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts offenbar verdrängt, jedenfalls bucht der Brockhaus Anfang des 20. Jahrhunderts Ökologie nurmehr mit der biologischen Bedeutung (1906).
Spätestens seit den 1960er Jahren tritt Ökologie in der Verbindung psychologische Ökologie (1963) bzw. häufiger als Adjektiv in ökologische Psychologie auf (1982, vgl. auch die Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers). Das Wort Ökologie findet damit Eingang in eine weitere wissenschaftliche Disziplin (vgl. auch Dorsch Online unter ökologische Psychologie). Hintergrund ist die Ausbildung der neuen Teildisziplin der Umweltpsychologie, die vornehmlich auf psychologische Aspekte der Mensch-Umwelt-Beziehung abhebt (vgl. auch HWPh 6, 1147–1149). Wenn diese dann das Wort Ökologie aufgreift, so hat es auch hier die Bedeutung Wissenschaft von den Beziehungen von Lebewesen zu ihrer Außen- bzw. Umwelt
, nun eben in spezieller, die Psychologie betreffender Hinsicht.
Seit Mitte der 1970er Jahre ist zudem die Verbindung politische Ökologie bezeugt (1975, 2001). Vor dem Hintergrund der Umweltbewegung entstanden, begegnet sie zunächst vorwiegend in geistes- und sozialwissenschaftlichen Kontexten (1975, 1983) und entwickelt sich als Politische Ökologie zur eigenen Disziplin.
Rückentlehnung mit neuer Bedeutung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Seit etwa 1970 begegnet Ökologie vermehrt in Belegen, die das Wort ganz explizit in Bezug auf den Menschen bzw. die menschliche Gesellschaft, den menschlichen Einfluss auf die Umwelt sowie nicht zuletzt die Sicherung des Überlebens des Menschen setzen (1969, 1972a, 1972b). Nun ist der Mensch grundsätzlich natürlich auch in älteren Verwendungen des Wortes implizit mitadressiert. Neu entstehen ab der Mitte des 20. Jahrhunderts jedoch international fachgeschichtlich Studien zur Humanökologie (vgl. Historisches Wörterbuch der Biologie 2, 700); wortgeschichtlich manifestiert sich diese Entwicklung im Deutschen etwa Mitte des Jahrhunderts in der Wortbildung Humanökologie, die jenes Teilgebiet der Ökologie bezeichnet, das nunmehr explizit auf die Untersuchung der Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt ausgerichtet ist (1959, vgl. auch DWDS unter HumanökologieDWDS). Neu ist weiterhin, dass das Wort Ökologie nun vermehrt in Zusammenhängen begegnet, in denen der Mensch nicht als Teil eines Ökosystems bzw. eines ökologischen Gleichgewichts beobachtet wird, sondern auch in solchen, in denen er ganz explizit zum Störfall, zum Problemfaktor innerhalb des Ökosystems wird (1969). Die Ökologie wird damit zu einem Faktor, der nicht nur im negativen Sinne vom Menschen beeinflusst wird, sondern zugleich zu einem, der positiv zu beeinflussen ist, will heißen: im Sinne der Zukunftsfähigkeit der Menschheit moduliert werden sollte. Das Wort Ökologie bezeichnet vor dem Hintergrund dieser Verschiebung der Beobachtungsweise der Beziehung des Menschen und seiner Umwelt nun die Untersuchung der Auswirkungen menschlicher Aktivität auf die Umwelt ebenso wie die Sorge um ebendiese Auswirkungen (1985, 2008, 2017).
Der Eingang von Ökologie in die Allgemeinsprache ist im Kontext der Entstehung einer breiten Umweltdiskussion anzusiedeln, die in der Bundesrepublik Deutschland um 1970 einsetzt und mit der Ausbildung eines Umweltwortschatzes sowie der semantischen Neubesetzung zahlreicher Wörter einhergeht, was sich auch an UmweltWGd als weiterem Fahnenwort des Diskurses sowie an Wörtern wie alternativWGd oder konventionellWGd zeigt. Die Entstehung der Bedeutung Untersuchung der bzw. Sorge um die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die Umwelt
von Ökologie ist dabei mindestens teilweise auf den Einfluss des angloamerikanischen Umweltdiskurses zurückzuführen (1969, 1970). So dominieren in der breiten deutschsprachigen Umweltdiskussion1) zunächst vor allem allgemeinsprachliche und wenig präzise Wörter. Fachtermini fehlen in deutschsprachigen Schriften der Zeit zunächst – und das, obwohl mit Ökologie und Umwelt spezifisch deutsche Wörter seit langem wissenschaftlich institutionalisiert sind. Erst in der Nachfolge eines im Juni 1969 von UN-Generalsekretär Sithu U Thant vorgelegten Berichtes zur Umweltkrise sowie einer Reihe von Gesprächen und Konferenzen zum gleichen Thema breitet sich Ökologie in der neuen, auf den menschlichen Einfluss auf den Ökohaushalt ausgerichteten Bedeutung auch im deutschen Sprachgebrauch aus, und zwar in der Presse offenbar zunächst ohne Bewusstsein der älteren Verwendungstradition bzw. Bedeutungen (vgl. Stötzel/Wengeler 1995, 626–628). Damit aber handelt es sich hier letztlich um eine Rückentlehnung aus dem englischen ecology, das seinerseits in der von Haeckel geprägten biologischen Bedeutung Ende des 19. Jahrhunderts aus dem deutschen Ökologie ins Englische entlehnt wird (vgl. 3OED unter ecology, n.).
Wortbildungen
Ebenfalls in den 70er Jahren entsteht auch eine Reihe neuer Komposita mit Ökologie, deren Spektrum von Ökologiediskussion (1973) über Ökologiedebatte (1976) bis hin zu Ökologiebewegung (1977) reicht. Diesen Komposita ist gemein, dass das Bestimmungswort Ökologie hier nicht mehr im spezifisch fachwissenschaftlichen Sinne gebraucht wird, sondern in einem breiteren, allgemeinsprachlichen Sinne.
Anmerkungen
1) Vgl. hierzu im Detail das Kapitel Umweltstörfalle. Fachsprache und Expertentum in der öffentlichen Diskussion
in Stötzel/Wengeler 1995, 619–678. Der nachfolgende Abschnitt basiert auf diesem Beitrag, insb. auf den Seiten 626 bis 628.
Literatur
BioConcepts BioConcepts. The Origin and Definition of Biological Concepts. A Multilingual Database. (biological-concepts.com)
Dorsch Online Wirtz, Markus Antonius (Hrsg.): Dorsch – Lexikon der Psychologie. Online-Ausgabe, Bern/Bern 2013-. (hogrefe.com)
DWDS DWDS. Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute. (dwds.de)
Hachmann/Koch 2016 Hachmann, Gerhard/Rainer Koch (2016). Anmerkungen zur Geschichte und Verwendung der Begriffe „Ökologe“ und „Artenschutz“. In: Natur und Landschaft 12 (2016), S. 587–589.
Historisches Wörterbuch der Biologie Toepfer, Georg: Historisches Wörterbuch der Biologie. Geschichte und Theorie der biologischen Grundbegriffe. Bd. 1–3. Stuttgart 2011. (doi.org)
HWPh Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hrsg. von Joachim Ritter, Karlfried Gründer, Gottfried Gabriel. Völlig neubearb. Ausg. des „Wörterbuchs der philosophischen Begriffe“ von Rudolf Eisler. Bd. 1–13. Basel 1971–2007.
3OED Oxford English Dictionary. The Definite Record of the English Language. Kontinuierlich erweiterte digitale Ausgabe auf der Grundlage von: The Oxford English Dictionary. Second Edition, prepared by J. A. Simpson and E. S. C. Weiner, Oxford 1989, Bd. 1–20. (oed.com)
Stötzel/Wengeler 1995 Stötzel, Georg/Martin Wengeler: Kontroverse Begriffe: Geschichte des öffentlichen Sprachgebrauchs in der Bundesrepublik Deutschland. Berlin u. a. 1995.
Töpfer 2016 Töpfer, Georg: Von der Naturgeschichte zur Ökologie (1750–1900). Entstehung und Geschichte der Ökologie bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. In: Natur und Landschaft 9/10 (2016), S. 398–404.