Wortgeschichte
Von Ökologie zu ökologisch: Adjektivableitung
Das Adjektiv ökologisch ist seit Ende des 19. Jahrhunderts bezeugt (1897a, 1897b). Es ist vom Substantiv ÖkologieWGd abgeleitet, das in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus dem griechischen oīkos (οἶκος) Haus, Wohnung, Heimat
und dem Suffix -logie gebildet wird (1838). 1866 führt Ernst Haeckel das Wort in die Biologie ein (1866); seitdem bedeutet es dort Wissenschaft von den Beziehungen von Lebewesen zu ihrer Außen- bzw. Umwelt
. Ausgehend hiervon wird auch das Adjektiv ökologisch gebildet; seither hat es die Bedeutung die Ökologie bzw. die Wechselbeziehung von Lebewesen und Außen- bzw. Umwelt betreffend
(1897a, 1914, 1935, 1971b).
Bedeutungswandel im Kontext des Umweltdiskurses
Unter Einfluss des angloamerikanischen Umweltdiskurses erhält das Substantiv Ökologie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die neue Bedeutung Untersuchung der bzw. Sorge um die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die Umwelt
(vgl. hierzu im Detail ÖkologieWGd. Parallel zur semantischen Entwicklung des Substantivs erfährt auch das Adjektiv eine entsprechende Transformation: Bereits seit Mitte der 1960er Jahre begegnen Belege, in denen ökologisch zunehmend im Zusammenhang mit der Vorstellung eines aus dem Gleichgewicht geratenen Ökosystem verwendet wird (1964b, 1969a) – auch hier zunächst in Bezug auf den angloamerikanischen Raum (1964a, 1969b). Damit ist das Adjektiv nun auf die neue Bedeutung von Ökologie bezogen. Ab den 1970er Jahren ist zudem die feste Verbindung ökologische Bewegung bezeugt (1970a). Daneben treten Verbindungen wie ökologische Gesichtspunkte (1970b), ökologischer Bankrott (1970c) oder ökologische Krise (1971a) auf. Solche Verbindungen stehen erkennbar im diskursiven Kontext der Umweltdebatten der 1970er Jahre.
Ausgehend hiervon bildet sich dann ab Mitte der 1970er Jahre mit umweltverträglich, nachhaltig, zukunftsfähig
sukzessive eine weitere Bedeutung aus (2010a), der eine neue Basisdichotomie zugrunde liegt: Der neuen Bedeutung liegt jetzt tiefensemantisch eine Einordnung menschlicher Handlungen in Bezug auf das Ökosystem über die Unterscheidung richtig versus falsch
bzw. nicht schädlich versus schädlich
zugrunde (1972, 1977, 1978a). Vor diesem Hintergrund wird ökologisch im öffentlichen anders als im wissenschaftlichen Sprachgebrauch besonders verwendet, um
etwas unter einem Gesichtspunkt von hoher und allgemein anerkannter Wichtigkeit, dem Umweltschutz, zu betrachten oder zu beurteilen. Daran anschließend wird ökologisch […] als positives Schlagwort verwendet, mit dem die Dringlichkeit eines Problems betont und zur Abhilfe aufgerufen wird. Außerdem […] wird ökologisch […] verwendet, um Personen und ihre Einstellungen dahingehend zu kennzeichnen, daß sie einer bestimmten weltanschaulichen oder politischen Bewegung zugerechnet werden. [Haß 1989, 490]
Möglicherweise entwickelt sich diese Bedeutung aus Kollokationen mit Landwirtschaft, jedenfalls begegnen ab Anfang der 1980er Jahre ökologischer Anbau (1981c) sowie ökologische Landwirtschaft (1982a) als feste Verbindung mit der Bedeutung nachhaltige, zukunftsfähige, umweltverträgliche Landwirtschaft
– und damit als Gegenentwurf zu konventionelle LandwirtschaftWGd. Ökologisch hat spätestens jetzt die Bedeutung umweltverträglich, zukunftsfähig
angenommen, die seither auch in anderen Kontexten auftreten kann (1992, 2000a, 2010a). Zu den zahlreichen festen Verbindungen, die sich seither in dieser Bedeutungslinie ausgebildet haben, gehört unter anderem ökologischer Fußabdruck (1997, 2001b, vgl. auch Neologismenwb. unter ökologischer Fußabdruck).
Von der Präfixbildung zum neuen Adjektiv: Öko- und öko
Vor dem Hintergrund der wortgeschichtlichen Entwicklung von Ökologie und ökologisch ist schließlich die Ausbildung des umgangssprachlichen Adjektivs öko zu verorten. Ab Ende der 1970er Jahre ist zunächst die Binnenkürzung von Wörtern wie Ökologiebewegung zu Öko-Bewegung bzw. Ökobewegung zu verzeichnen (1978b, 1981a, 1982b, 1983b). Daneben sind seither Wörter wie Öko-Gruppe (1981b), Ökobewusste (1993b) oder Ökostrom (1996b) bezeugt, die zeigen, dass Öko- zu einem sehr produktiven Präfix wird. Es zeigt an, dass jemand oder etwas in irgendeiner Weise mit Ökologie, mit bewusster Beschäftigung mit der Umwelt, mit Umweltproblemen in Beziehung gesetzt wird (vgl. Duden online unter öko-, Öko-).
Alleinstehend begegnet öko seit Mitte der 1980er Jahre (1986, 1987a, 1996a, 2001a). Dabei scheint das umgangssprachliche Adjektiv öko gegenüber seiner Grundlage ökologisch insgesamt an semantischer Präzision zu verlieren: Es wird breit verwendet, kann nun in einer recht allgemeinen Bedeutung auf ganz heterogene Gegenstände bezogen werden (1998, 2010b, 2014) und rückt damit semantisch zugleich in die Nähe des ebenfalls recht unspezifischen bio (1987b). Wenige Jahre nach öko ist auch die Großschreibung Öko belegt (1990, 1991, 1993a). Diese sprachlich schwer einzuordnende Form begegnet bereits früher als verkapptes bzw. orthographisch nicht normgerecht umgesetztes Präfix: Es gibt auffallend oft die Schreibung Öko mit Spatium bzw. ohne Bindestrich (1983a, 1984, 1994; zum Präfix Öko- bzw. öko-, vgl. auch Haß 1989, 477–483; Kombinationen mit Öko- bzw. öko- werden Haß zufolge ab etwa 1980 gebildet). Daneben begegnet Öko auch als Adjektiv in Großschreibung (1985, 1993c, 1995, 2000b). Weiterhin stehen Verwendungen der Großschreibung als Kürzung von Ökologie (1987c); im Einzelnen ist die Abgrenzung zwischen einer adjektivischen Verwendung in Großschreibung und der Verwendung als Verknappung von Ökologie nicht immer eindeutig zu entscheiden.
Nicht zuletzt bildet sich die Bezeichnung ÖkoWGd mit der Bedeutung Anhänger der Ökobewegung
für eine Sozialfigur des letzten Drittels des 20. Jahrhunderts aus.
Literatur
Duden online Duden online. Hrsg. von der Dudenredaktion. Mannheim 2011 ff. (duden.de)
Haß 1989 Haß, Ulrike: Umwelt. In: Gerhard Strauß/Ulrike Haß/Gisela Harras (Hrsg.): Brisante Wörter von Agitation bis Zeitgeist. Ein Lexikon zum öffentlichen Sprachgebrauch. Berlin/New York 1989, S. 395–557.
Neologismenwb. Leibniz-Institut für deutsche Sprache (IDS): Neologismenwörterbuch. (owid.de)