Wortgeschichte
Herkunft
Das Substantiv Rebellion ist im Deutschen seit dem 16. Jahrhundert belegt (1528). Es wird wohl aus dem Französischen entlehnt, wo rébellion seit dem Altfranzösischen belegt ist (vgl. 1DFWB 3, 195–196). Etymologisch geht das Wort auf lateinisch rebelliolat. zurück (vgl. Pfeifer unter RebellionDWDS), das ursprünglich eigentlich Erneuerung des Krieges
bedeutet (vgl. 1DFWB 3, 195–196). Seit den ersten Bezeugungen in deutschsprachigen Quellen trägt Rebellion zentral die Bedeutung Aufruhr, Aufstand
(1621, 1625). Neben Rebellion ist insbesondere in älteren Quellen ab dem 17. Jahrhundert auch die Form Rebellerei belegt, die als Ableitung von einem Verb rebellen anzusehen ist (1662, 1733, 1897, vgl. auch DRW XI, 213 mit Belegen aus dem 17. Jahrhundert sowie 1DFWB 3, 195–196).
Synonyme und semantische Abgrenzung
In frühneuzeitlichen Quellen begegnet das Wort oftmals zusammen mit überwiegend synonymen Wörtern wie Aufruhr (1732), AufstandWGd (1681), Unruhe (1731), Tumult (1652), aber auch mit Empörung (1666), das heute kein gängiges Synonym zu Rebellion mehr ist.
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Das Substantiv Empörung, heute eher in der Bedeutung Entrüstung, Zorn
gängig (2017), ist im Deutschen seit dem mittleren Frühneuhochdeutschen bezeugt und bedeutet zu dieser Zeit unter anderem Verschwörung, Auflehnung, Rebellion, Erhebung von einzelnen Personen oder von Gruppen eines Gemeinwesens gegen die Obrigkeit; auch: bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzung, Bürgerkrieg
(vgl. FWB unter Empörung). Seither begegnet es in entsprechender Bedeutung in deutschsprachigen Quellen (1552, 1612, 1721). 1727 setzt Gladov Empörung in seinem Wörterbuch A la Mode-Sprach Oder Compendieuses Hand-Lexicon zwar nicht als eigenständiges Lemma an, gibt es aber als Synonym für Rebellion, Aufstand, Unruhe an (vgl. A la Mode-Sprach, 633). Noch an der Wende zum 19. Jahrhundert bucht Campe das Wort mit der Bedeutung die Handlung, da man etwas empört, besonders die Handlung, da man sich empört, sich thätlich der Obrigkeit widersetzt
(Campe Wörterbuch 1, 908). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verweist Sanders in seinem Deutschen Wörterbuch dann auf Entrüstung
(1Sanders 1, 365). Auch auf Wörterbuchebene zeigt sich damit, dass bis ins 19. Jahrhundert hinein zunächst die Bedeutung Aufruhr
dominant ist, diese im Verlauf des 19. Jahrhunderts aber von der heute gängigen Bedeutung Entrüstung, Zorn
abgelöst wird (vgl. auch die entsprechenden Angaben in 2DWB 8, 1288).
Abb. 1: DWDS-Wortverlaufskurve zu Rebellion
DWDS (dwds.de) | Bildzitat (§ 51 UrhG)
Von Krieg ist Rebellion insofern abzugrenzen, als Krieg eine nach außen gerichtete Handlung meint, Rebellion und seine Synonyme aber Handlungen gegen die Obrigkeit bezeichnen, die folglich im Landesinneren verbleiben (1732, 1809). In den frühen Bezeugungen wird Rebellion in diesem den zentralen Bedeutungsaspekt gegen die Obrigkeit gerichtet
umfassenden und also noch nicht in einem heute gängigen weiteren Sinn verwendet. Entsprechend begegnet es häufiger auch mit den Kontextwörtern Untertan (1666) oder Obrigkeit (1673). Daneben stehen gerade in der Frühen Neuzeit zahlreiche Belege in christlichen Textsorten und Kontexten (1528, 1603, 1608, 1616, 1729). Insbesondere im 16. Jahrhundert zeigt sich im Übrigen eine Verwendungsspitze (vgl. Abb. 1 sowie die Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers).
Politische Bedeutungslinie seit dem 16. Jahrhundert
Seit seiner Entlehnung ist die politische Bedeutung von Rebellion recht stabil (1850, 1882, 1946a, 2018). Gladov bucht das Wort in seinem Wörterbuch A la Mode-Sprach 1727 mit der Bedeutung Aufstand, Aufruhr, Abfall, Ungehorsam, Meutmacherey, Unruhe, Widersetzung, Widerstrebung der Unterthanen
(A la Mode-Sprach 555), Adelung an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in seinem Grammatisch-Kritischen Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart mit der Bedeutung die gewaltsame Widersetzung mehrerer wider die rechtmäßige obrigkeitliche Gewalt; der Aufruhr
(2Adelung 3, 989), Sanders Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Bedeutung Aufruhr, Empörung
(1Sanders 2, 668), das DWDS gegenwärtig in der politischen Bedeutungslinie mit offene, in der Regel gewaltsame Auflehnung oder Aufstand einer meist kleineren Gruppe von Menschen gegen einen bestehenden Zustand, bestehende Verhältnisse
(DWDS unter RebellionDWDS).
In der Bedeutung politischer Aufstand
entstehen insbesondere im 20. Jahrhundert zudem zahlreiche Komposita wie etwa Tutsi-Rebellion (1998), Tuareg-Rebellion (2013), Taiping-Rebellion (1999c) oder Indianer-Rebellion (1996), die jeweils spezifische Ereignisse adressieren.
Sukzessive Bedeutungserweiterung im 19. und 20. Jahrhundert
Neben der bis in die Gegenwart reichenden politischen Bedeutung lässt sich eine zweite Bedeutungslinie beobachten, die durch eine sukzessive Bedeutungserweiterung gekennzeichnet ist. Erste Belege in einer nicht mehr strikt an weltliche oder geistliche Obrigkeit gebundenen Verwendung datieren bereits auf das ausgehende 18. Jahrhundert (1719, 1796). Zudem begegnen vereinzelt bereits im 18., etwas häufiger dann im 19. Jahrhundert nun auch Bezeugungen im übertragenen Sinn (1844, 1851, 1899, 1946b).
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schließlich verbindet sich das Wort Rebellion semantisch mit Jugend- und Protestbewegungen (1968) sowie bestimmten subkulturellen Strömungen der Zeit (2010). In diesen Kontexten wird Rebellion in der Bedeutung das Aufbegehren, das Widersetzen
gebraucht. Im Protestdiskurs 1968/69 wird das Wort in der Bedeutung Widerstand, Protest, Revolte, Aufbegehren der studentischen Linken (z. B. gegen autoritäre, hierarchische Strukturen, für undemokratisch gehaltene Tendenzen, den Kapitalismus, den Vietnamkrieg, das System der Hochschulen)
verwendet und kann als Ausdruck von Ablehnung der bestehenden Verhältnisse gelesen werden ( unter Rebellion). Zu dieser Zeit entstehen zudem eine ganze Reihe entsprechender Komposita wie Studenten-Rebellion (1984a, 1999b), APO-Rebellion (1986a, 2001), Jugend-Rebellion (1984b) und 68er-Rebellion (1986b, 2000b); gelegentlich ist auch Rebellionskultur bezeugt (2000a). In der Nachfolge lässt sich schließlich eine beobachten, dass das Wort zunehmend an semantischer Kontur verliert (1999a, 2009, 2012, 2014).
Literatur
A la Mode-Sprach Gladov, Friedrich: A la Mode-Sprach der Teutschen Oder Compendieuses Hand-Lexicon. Jn welchem die meisten aus fremden Sprachen entlehnte Wörter und gewöhnliche Redens-Arten, So in denen Zeitungen, Briefen und täglichen Conversationen vorkommen, Klar und deutlich erkläret werden. Nürnberg 1727. (deutschestextarchiv.de)
2Adelung Adelung, Johann Christoph: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. Mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der Oberdeutschen, 2. vermehrte und verbesserte Ausg. Bd. 1–4. 2. Nachdr. d. Ausg. Leipzig 1793–1801. Hildesheim u. a. 1990. (woerterbuchnetz.de)
Campe Wörterbuch Campe, Joachim Heinrich: Wörterbuch der deutschen Sprache. Theil [Bd.] 1–5. Braunschweig 1807–1811.
1DFWB Schulz, Hans/Otto Basler: Deutsches Fremdwörterbuch. Weitergeführt im Institut für deutsche Sprache unter der Leitung von Alan Kirkness. Bd. 1–7. Straßburg bzw. Berlin 1913–1988. (owid.de)
DRW Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache. Bis Bd. 3 hrsg. von der Preußischen Akad. der Wiss., Bd. 4 hrsg. von der Deutschen Akademie der Wissenschaften (Berlin, Ost), ab Bd. 5 hrsg. von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften (bis Bd. 8 in Verbindung mit der Akademie der Wissenschaften der DDR). Bd. 1 ff. Weimar 1912 ff. (adw.uni-heidelberg.de)
2DWB Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Neubearbeitung. Hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (vormals Deutsche Akademie der Wissenschaften) und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Bd. 1–9. Stuttgart 1983–2018. (woerterbuchnetz.de)
DWDS DWDS. Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute. (dwds.de)
FWB Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Hrsg. von Robert R. Anderson [für Bd. 1]/Ulrich Goebel, Anja Lobenstein-Reichmann [ab Bd. 5], Oskar Reichmann. Bd. 1 ff. Berlin u. a. 1986 ff. (fwb-online.de)
Pfeifer Pfeifer, Wolfgang u. a.: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (1993), digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache. (dwds.de)
Protestdiskurs 1967/68 Leibniz-Institut für deutsche Sprache (IDS): Diskurswörterbuch Protestdiskurs 1967/68. (owid.de)
1Sanders Sanders, Daniel: Wörterbuch der Deutschen Sprache: mit Belegen von Luther bis auf die Gegenwart. Bd. 1–3. Leipzig 1860–1865. (bbaw.de)
Weitere wortgeschichtliche Literatur zu Rebellion, Empörung.