Wortgeschichte
Vorläufer
Sowohl das Substantiv Postmoderne als auch das Adjektiv postmodern erhalten ihre spezifische semantische Kontur im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts. Gleichwohl gibt es frühere Bezeugungen der Wörter. Im englischsprachigen Raum sind das Adjektiv postmodern wie auch das Substantiv postmodernism bereits seit der ersten Hälfte der 1910er Jahre bezeugt, das Substantiv post-modernity seit den 1930er Jahren (vgl. die entsprechenden Einträge zu postmodern, adj. and n., postmodernism, n. und post-modernity, n. im 3OED); in seinem begriffshistorischen Beitrag führt Welsch sogar einen englischsprachigen Beleg aus den 1870er Jahren an (vgl. Welsch 2006, 12). Seither begegnet etwa postmodernism gelegentlich international (und also in verschiedenen Sprachen) in wissenschaftlichen Abhandlungen (vgl. hierzu im Detail Welsch 2006, 12–14).
Auch im deutschsprachigen Raum ist postmodern bereits vor den 1970er Jahren sporadisch bezeugt (1917, 1960). Gleichwohl hat das Wort zu dieser Zeit weder in den internationalen Verwendungen noch in den deutschsprachigen eine festgelegte Bedeutung; seine je konkrete Bedeutung konstituiert sich aus dem jeweiligen Kontext. Bei Pannwitz’ (1917) Verwendung etwa handelt es sich wohl um die nur wortschöpferisch erneuerte Reprise von Nietzsches
(so jedenfalls Welsch 2006, 13).Übermensch
Postmoderne: Wortkarriere im späten 20. Jahrhundert
Ab den 1970er Jahren steigt die Verwendungsfrequenz von Postmoderne im deutschsprachigen Raum signifikant an (vgl. die entsprechende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers). Das Wort durchläuft eine regelrechte Wortkarriere und wird zu einem Schlagwort der Wissenschaften, Intellektuellen und Feuilletons. Diese Entwicklung ist nicht ohne Einbettung in internationale wissenschaftliche und kulturelle Debatten zu verstehen. So wird das Wort wohl aus dem amerikanischen Englisch ins Deutsche entlehnt, wo es spätestens seit den 1970er Jahren in Bezug auf Architektur, Literatur und Künste verwendet wird (vgl. Harras 1989, 687; eine detaillierte begriffshistorisch orientierte Aufarbeitung der Verwendungen von Postmoderne in den verschiedenen Sprachen ebenso wie Disziplinen findet sich zudem früh bereits bei Welsch 2006, hier das Kapitel I
; daneben auch Köhler 1977). Entsprechende Verwendungen als Epochen- und Stilbezeichnung für Architektur, Literatur und Künste sind dann auch im deutschsprachigen Raum bezeugt (1981c, 1984c, 1987b). Daneben begegnet Postmoderne auch als Bezeichnung für eine bestimmte Denk- und Theorierichtung ab dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts (1995b), als deren Vertreter etwa Jaques Derrida, Gilles Deleuze oder Jean-François Lyotard zu nennen wären.Postmoderne
. Die Genealogie des Ausdrucks, die Bandbreite des Terminus, der Sinn des Begriffs
Von mindestens indirekter Relevanz für die weitere semantische Entwicklung des Wortes Postmoderne ist schließlich eine Publikation des französischen Philosophen Jean-François Lyotard (1984a; vgl. auch Harras 1989, 687): 1979 erscheint La Condition postmoderne. Rapport sur le savoir (deutsch: Das postmoderne Wissen: Ein Bericht), in der Lyotard unter anderem das Ende der sogenannten großen Erzählungen der Moderne diagnostiziert und den Wandel des Wissens mit Eintritt in die Postmoderne behandelt. Wohl im Zuge der Auseinandersetzung mit dieser Schrift wird Postmoderne endgültig auch allgemeiner zu einer Bezeichnung für das gesellschafts- und kulturgeschichtliche Zeitalter nach der (westlichen) Moderne (1995a, 1999). Im allgemeinsprachlichen Gebrauch verliert das Wort dabei nicht zuletzt an semantischer Präzision: Der Begriff wird zunehmend inflationär gebraucht. […] Für 1987 sind die postmoderne Körperkultur und ein postmodernes Meditationsbuch angekündigt.
(Welsch 2006, 9)
Die semantische Erweiterung von einer Stil- und Epochenbezeichnung in Literatur, Architektur und Künsten im Speziellen hin zu einer ein gesellschaftliches Zeitalter im Allgemeinen adressierenden Verwendung zeichnete sich allerdings wohl bereits im Laufe der 1970er Jahren ab – jedenfalls deutet die wohl ebenfalls unter Einfluss des Englischen (1972) mit dem Adjektiv gebildete Kollokation postmoderne Gesellschaft (1973) darauf hin, dass sich bereits vor Lyotard wortgeschichtlich eine semantische Erweiterung in Richtung einer allgemeinen Epochenbezeichnung entwickelt hat.
Ganz grundsätzlich ist allen Bedeutungsdimensionen schließlich gemein, dass sie sich auf ein Zeitalter beziehen, das auf die (westliche) Moderne folgt (1980c, 1987a). Das Wort impliziert damit, dass eine wie auch immer verstandene Moderne abgeschlossen und auf sie ein neues Zeitalter gefolgt sei. Insofern verbinden sich mit dem Wort Vorstellungen davon, dass das Projekt der Moderne an ein Ende gekommen sei (vgl. etwa 1980c, siehe hier insb. auch den Titel, 1987a), sowie Vorstellungen von Pluralismus (1992, 2001), Widersprüchlichkeit (1992) usw.
Das Adjektiv postmodern
In etwa zeitgleich zu Postmoderne verbreitet sich auch das Adjektiv postmodern im deutschsprachigen Raum zunehmend, bleibt insgesamt hinsichtlich der Verbreitung jedoch hinter dem Substantiv zurück (vgl. die entsprechende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers). Auch das Adjektiv wird wohl aus dem amerikanischen Englisch übernommen, frühe Belege deuten jedenfalls in diese Richtung (1969, 1972). Es begegnet sowohl in der Bedeutung auf die Postmoderne als Zeitalter nach der (westlichen) Moderne bezogen
(1973, 1993) als auch in den Bedeutungen auf die Postmoderne als Geisteshaltung und Theorierichtung des ausgehenden 20. Jahrhunderts bezogen
(1984d, 1984e, 2017) und auf die Postmoderne als Epochen- und Stilbezeichnung in Architektur, Literatur und Kunst bezogen
(1980a, 1980d, 1981a, 1981b).
Neben postmodern ist auch das Adjektiv postmodernistisch in der Bedeutung auf den Postmodernismus bezogen
belegt (1982). Beide Wörter haben semantische Überschneidungen ohne vollständig synonym zu sein (vgl. hierzu im Detail den Artikel postmodernistischWGd).
Nachmoderne, Spätmoderne, Postmodernismus. Semantische Überschneidungen, semantische Abgrenzungen
Mit Nachmoderne ist ein Wort belegt, dass denselben Zeitraum wie Postmoderne bezeichnet (2008). Auch als Bezeichnung für eine bestimmte Geistes-, Denk- und Theorierichtung (2000) ebenso wie Stilrichtung (1984b, 1997b) begegnet Nachmoderne in den Quellen. Die Wortbildung erfolgt vermutlich analog zur Bildung von Postmoderne: Während Postmoderne aus dem ursprünglich aus dem Lateinischen entlehnten und damit exogenen Präfix post- und ModerneWGd gebildet wird, wird Nachmoderne aus dem bedeutungsgleichen deutschen und damit indigenen Präfix nach- und Moderne gebildet. Die Implikationen von Nachmoderne – insbesondere die Annahme eines Endes des Projektes der Moderne mit ihren großen Erzählungen sowie die des Pluralismus – sind mindestens partiell jenen von Postmoderne vergleichbar (1977, 1980b). Insofern kann Nachmoderne als Synonym zu Postmoderne verstanden werden. Insgesamt wird Nachmoderne dabei deutlich seltener verwendet (vgl. die entsprechende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers), möglicherweise – aber hier kann man lediglich spekulieren –, weil Postmoderne die international präsente Form ist.
Daneben bezeichnet auch das Wort Spätmoderne denselben Zeitraum wie Postmoderne (1997a). Allerdings unterscheiden sich diese Wörter trotzdem sie bis zu einem gewissen Grad auch verbindende Vorstellungen aufweisen (vgl. hierzu auch den Eintrag SpätmoderneWGd), hinsichtlich ihrer zentralen Implikationen: Spätmoderne impliziert im Gegensatz zu Postmoderne, dass das Zeitalter der Moderne noch nicht abgeschlossen ist, basiert mithin auf anderen theoretischen Grundannahmen (2012).
Nicht zuletzt ist neben Postmoderne seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts im Deutschen auch Postmodernismus in der Bedeutung für die Postmoderne typische Stilrichtungen
belegt (1980e, 1982, 1985, 1998). Postmoderne und Postmodernismus haben entsprechend semantische Überschneidungen, ohne ihrerseits allerdings in einem synonymen Verhältnis zueinander aufzugehen (vgl. hierzu im Detail auch den entsprechenden Artikel zu PostmodernismusWGd).
Literatur
Harras 1989 Harras, Gisela: Kultur und Bildung. In: Gerhard Strauß/Ulrike Haß/Gisela Harras (Hrsg.): Brisante Wörter von Agitation bis Zeitgeist. Ein Lexikon zum öffentlichen Sprachgebrauch. Berlin/New York 1989, S. 559–732.
Köhler 1977 Köhler, Michael: ‚Postmodernismus‘: Ein begriffsgeschichtlicher Überblick. In: Amerikastudien 12 (1977) H. 1, S. 8–18.
3OED Oxford English Dictionary. The Definite Record of the English Language. Kontinuierlich erweiterte digitale Ausgabe auf der Grundlage von: The Oxford English Dictionary. Second Edition, prepared by J. A. Simpson and E. S. C. Weiner, Oxford 1989, Bd. 1–20. (oed.com)
Welsch 2006 Welsch, Wolfgang: Unsere postmoderne Moderne. Berlin 2006.
Weitere wortgeschichtliche Literatur zu Postmoderne, Nachmoderne, postmodern.