Wortgeschichte
Gesellschaft der Spätmoderne, Gesellschaft der Postmoderne? Zwei Wörter, zwei Theorien
Spätestens ab den 1980er Jahren ist mit Spätmoderne (1983), einem Kompositum aus spät- und ModerneWGd, ein neues Wort bezeugt, das eine spezifische gesellschafts- und kulturgeschichtliche Periode der westlichen Welt bezeichnet: Spätmoderne bezieht sich in der Regel auf die jüngste Gegenwart als Phase innerhalb der Gesamtepoche der Moderne (2000a, 2001, 2002a). Damit bezeichnet das Wort letztlich denselben historischen Zeitraum wie PostmoderneWGd (1997a). Insofern Postmoderne allerdings die Bedeutung Zeitalter, kulturgeschichtliche Epoche nach der Moderne
trägt (1980, 1987, 1990), gehen die beiden Wörter, obwohl sie in der dominanten Lesart ein und denselben historischen Zeitraum bezeichnen, nicht in einem synonymen Verhältnis zueinander auf. So impliziert Spätmoderne im Gegensatz zu Postmoderne, dass die Moderne gerade noch nicht abgeschlossen sei (2012b). Welches Wort im Einzelfall gewählt wird, lässt insofern – zumindest im wissenschaftlichen Sprachgebrauch – Rückschluss auf die jeweilige konzeptuelle bzw. theoretische Verortung zu (2012a).
Gleichwohl weisen Spätmoderne und Postmoderne nicht ausschließlich unvereinbare Grundannahmen (2021), sondern bis zu einem gewissen Grad auch verbindende Vorstellungen auf, so etwa die Annahme vom Ende der großen Erzählungen
(Lyotard), von Sinnrisse[n]
, Pluralismus und Unübersichtlichkeit
(1988, 1997f, 1997b, 1997d, 2000b, 2004, 2005). Vor diesem Hintergrund überrascht es wenig, dass im Einzelfall auch Verwendungen begegnen, in denen die beiden Wörter nahezu synonym erscheinen (1997a).
Spätmoderne und Spätmodernismus. Epoche und Stilrichtung in Literatur, Kunst und Architektur
Neben jener weiteren, auf eine gesellschafts- und kulturgeschichtliche Periode der westlichen Welt im Allgemeinen abzielenden Bedeutung begegnet Spätmoderne auch in Verwendungen, in denen das Wort zu einer literatur- und kunstgeschichtlichen Epochen- und Stilbezeichnung im Speziellen wird (1984, 1994, 1997c, 1997e, 1999b, 2002b). Selten ist zudem das Substantiv Spätmodernismus bezeugt, seinerseits eine Stilbezeichnung (2007, 2017a). Sowohl Spätmoderne als auch Spätmodernismus sind dabei erkennbar auf das Grundwort Moderne in der Bedeutungslinie Literatur- und Kunstströmungen des 20. und 21. Jahrhunderts
bezogen. Gelegentlich begegnen zudem auch Verwendungen, in denen Spätmoderne die Endphase der Klassischen Moderne im Speziellen bezeichnet (2003).
Verbreitung
Die Erstbezeugung des Wortes Spätmoderne datiert auf die 1970er Jahre, es ist damit wohl (wenig) jünger als Postmoderne (1960). Ab den 1980er Jahren wird Spätmoderne vermehrt verwendet, ab den 2000er Jahren ist die Verwendungsfrequenz rückläufig (vgl. die entsprechende bedeutungsübergreifende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers). Insgesamt bleibt Spätmoderne jedoch im direkten Vergleich zu Postmoderne das deutlich weniger verbreitete Wort (vgl. die entsprechende bedeutungsübergreifende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers).
Das Adjektiv spätmodern
Ebenfalls seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts ist – wohl als Bildung zu Spätmoderne – auch das Adjektiv spätmodern bezeugt (1985). Wie das Substantiv hat es eine gesellschaftliche (1992, 1993, 2017b) und eine kulturelle (1998a, 1998b, 1999a) Bedeutungslinie. Insgesamt ist das Adjektiv deutlich weniger verbreitet als das Substantiv (vgl. die entsprechende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers). Ein Adjektiv *spätmodernistisch hingegen scheint – anders als etwa postmodernistischWGd zu PostmodernismusWGd – nicht gebildet worden zu sein.