Terminologisches Kerninventar
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Affirmative Aneignung

Als affirmative Aneignung wird ein Bedeutungswandel bezeichnet, in dessen Verlauf ein ursprünglich abwertender Ausdruck für eine Personengruppe von eben dieser Gruppe gezielt aufgenommen und als positive Selbstbezeichnung weiter verwendet wird. Von einer Gruppensprache ausgehend kann der ins Positive gewendete Ausdruck in einem weiteren Schritt auch in die Allgemeinsprache eingehen. Die affirmative Aneignung stellt eine besondere Form der Bedeutungsverbesserung dar.

Beispiele:

engl. queer exzentrisch, fremdartig > nicht-heteronormative Geschlechtsidentität aufweisend

engl. nerd technikaffiner Sonderling > Computerexperte

frz. sansculotte Aufständischer (abwertend aus der Sicht des Adels nach den nicht standesgemäßen langen Hosen) > radikaler Revolutionär (als Selbstbezeichnung)

Indem eine Beschimpfung in eine die eigene Identität bejahende, affirmative Selbstbezeichnung verkehrt wird, findet eine Art sprachlicher Selbstermächtigung statt. Mit der Übernahme des stigmatisierenden Ausdrucks durch die stigmatisierte Gruppe wird zugleich Macht über die Benennung signalisiert. Das Selbstbild der betreffenden Gruppe wird als intakt vorgeführt: Ihr Selbstbewusstsein ist so stark, dass es auch eine Beschimpfung ohne Gesichtsverlust überstehen kann. Diese Beschimpfung wird damit in gewisser Weise gebannt.

Bedeutungserweiterung

auch: Generalisierung, Bedeutungsverallgemeinerung

s. auch: Bedeutungsverengung

Unter einer Bedeutungserweiterung versteht man eine Entwicklung, die von einem Unterbegriff zu einem Oberbegriff führt.

Beispiel:

frühnhd. Phase Mondphase > nhd. Phase (18. Jh.) Zeitabschnitt

Der Terminus zielt auf die Referenz eines Ausdrucks, d. h. auf dessen Fähigkeit, Dinge und Sachverhalte in der Welt zu bezeichnen. Nach einer vollzogenen Bedeutungserweiterung ist die Referenz weiter als vor dem Wandel. Der Ausdruck kann sich daher auf eine wesentlich größere Zahl von Referenten beziehen (im Beispiel auf viele verschiedene Arten von Zeitabschnitten statt nur auf die Phasen des Mondes).

Wenn man von einer Bedeutungserweiterung spricht, werden lediglich Vor- und Nachzustand des semantischen Wandels miteinander in Relation gesetzt. Die kommunikativen Prozesse, die diesen Wandel in Gang setzen, bleiben dabei unberücksichtigt (vgl. die Diskussion bei Fritz 2020, 137 f.).

Gelegentlich wird unter Bedeutungserweiterung etwas anderes verstanden, nämlich die Erweiterung des Bedeutungsspektrums eines Wortes, d. h. das Hinzutreten einer neuen Bedeutung zu einer oder mehreren bereits vorhandenen Bedeutungen. In Wortgeschichte digital wird der Terminus nicht in diesem Sinne verwendet.

Bedeutungskonkurrenz

s. auch: Bezeichnungskonkurrenz

Von einer Bedeutungskonkurrenz spricht man, wenn in politischen Auseinandersetzungen zwei oder mehrere standpunktgebundene Deutungen für einen Ausdruck miteinander rivalisieren: So wird für soziale Marktwirtschaft auf der einen Seite eine Interpretation propagiert, die stärker die Marktwirtschaft betont und dementsprechend eher eine Deregulierung befürwortet, und auf der anderen Seite wird das Attribut sozial betont und dementsprechend eher eine auf Teilhabe und Umverteilung setzende Auslegung vertreten.

Literatur: Klein 1989, 17 ff.; Gardt 2012, 69 (mit weiterer Literatur).

Wortgeschichte: Spießer

Zitierhilfe: Harm, Volker: „Bedeutungskonkurrenz“. In: Wortgeschichte digital – ZDL, https://www.zdl.org/wb/wgd/Terminologie#Bedeutungskonkurrenz.

BedeutungsverallgemeinerungBedeutungserweiterung

Bedeutungsverbesserung

auch: Meliorisierung

s. auch: Bedeutungsverschlechterung

Von einer Bedeutungsverbesserung ist die Rede, wenn ein Wort, das zunächst eine negative Wertung zum Ausdruck bringt, neutral verwendet wird.

Beispiel:

nhd. furchtbar zum Fürchten > sehr (verstärkend wie in furchtbar nett)

Wie sein Gegenstück, die Bedeutungsverschlechterung, bezieht sich der Terminus Bedeutungsverbesserung lediglich auf das Ergebnis semantischer Prozesse, nicht auf diese Prozesse selbst. So dürfte die oben genannte Entwicklung von furchtbar, in deren Verlauf ein negativer Bedeutungsaspekt verloren geht, als komplexer Vorgang zu beschreiben sein, der von bestimmten adjektivischen Verbindungen (wie furchtbar langweilig) ausgeht und über mehrere Teilprozesse zu einer neutralen adverbialen Verstärkung führt.

Bedeutungsverengung

auch: Spezialisierung

s. auch: Bedeutungserweiterung

Unter einer Bedeutungsverengung versteht man eine Entwicklung, die von einem Oberbegriff zu einem Unterbegriff führt.

Beispiel:

mhd. vaz Gefäß > frühnhd. Fass großes Gefäß für Bier, Wein u. Ä.

Der Terminus zielt auf die Referenz eines Ausdrucks, d. h. auf dessen Fähigkeit, Dinge und Sachverhalte in der Welt zu bezeichnen. Nach einer vollzogenen Bedeutungsverengung ist die Referenz enger als vor dem Wandel. Der Ausdruck bezieht sich daher auf eine kleinere Menge von Referenten (im Beispiel Fass nur noch auf eine bestimmte Art von Gefäßen, nicht mehr auf Gefäße wie Krüge, Becher, Kelche usw.).

Wenn man von einer Bedeutungsverengung spricht, werden lediglich Vor- und Nachzustand des semantischen Wandels miteinander in Relation gesetzt. Die kommunikativen Prozesse, die diesen Wandel in Gang setzen, bleiben dabei unberücksichtigt (vgl. die Diskussion bei Fritz 2020, 137 f.).

Bedeutungsverschlechterung

auch: Pejorisierung

s. auch: Bedeutungsverbesserung

Von einer Bedeutungsverschlechterung ist die Rede, wenn eine Wortverwendung, die zunächst mehr oder weniger neutral auf einen Referenten Bezug nimmt, mit einer negativen Wertung verbunden wird.

Beispiele:

frühnhd. Pöbel Volk, Volksmenge > nhd. Pöbel ungebildete Volksmasse

mhd. blöd schüchtern; schwach > mhd./frühnhd. blöd dumm

Der Begriff der Bedeutungsverschlechterung ist in der Forschung aus mehreren Gründen umstritten, vor allem weil ein Großteil der mit diesem Terminus belegten semantischen Prozesse auch anders beschrieben werden kann (etwa als Metonymie oder Bedeutungsverengung). Der Terminus bezieht sich somit lediglich auf Vor- und Nachzustand eines Wandels und beschreibt nicht die Wandelprozesse selbst.

Bezeichnungskonkurrenz

s. auch: Bedeutungskonkurrenz

Eine Bezeichnungskonkurrenz liegt vor, wenn im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung zwei unterschiedliche Bezeichnungen für eine übereinstimmende Bezugsgröße miteinander rivalisieren. So kann etwa je nach Standpunkt von einer Schandmauer oder einem antifaschistischen Schutzwall die Rede sein, wenn die Berliner Mauer gemeint ist.

Literatur: Klein 1989, 17 ff.; Gardt 2012, 69 (mit weiterer Literatur).

Zitierhilfe: Harm, Volker: „Bezeichnungskonkurrenz“. In: Wortgeschichte digital – ZDL, https://www.zdl.org/wb/wgd/Terminologie#Bezeichnungskonkurrenz.

Europäismus

Als Europäismen bezeichnet man Wörter, die in ähnlicher Form und Bedeutung in mehreren europäischen Sprachen vorkommen und die dabei jeweils als Lehnwörter anzusehen sind. Die meisten Europäismen gehen direkt oder indirekt auf griechisch-lateinische Ursprünge zurück; in jüngerer Zeit finden sich häufig auch Übernahmen aus dem Englischen.

Beispiel:

frz. énergie, span. energia, ital. energia, engl. energy, nl. energie, dän. energi, schwed. energi, russ. energija (энергия) aus agriech. enérgeia (ἐνέργεια)

Exotismus

Fremdsprachliche Wörter, die sehr stark oder ausschließlich mit einem anderen (nicht-deutschsprachigen) Land, seiner Kultur und seinem politischen System assoziiert werden, bezeichnet man auch als Exotismen. Als Beispiel wäre Impeachment Amtsenthebungsverfahren im politischen System der USA, Sheriff Leiter einer Polizeibehörde in den USA oder Coq au vin Hähnchen in Rotweinsoße zu nennen.

Übergänge zwischen Exotismen und Lehnwörtern sind oft fließend, und Exotismen bilden häufig die früheste Stufe einer Entlehnung. So ist das Wort Pizza als Exotismus zu beschreiben, solange damit ein vorwiegend im Ursprungsland Italien anzutreffendes Gericht gemeint war. Mit der Verbreitung der italienischen Küche auch im deutschsprachigen Raum (und weit darüber hinaus) ist aus dem Exotismus nach und nach ein Lehnwort geworden, da der Zusammenhang mit Italien nicht mehr zwingend gegeben sein muss. Auch einzelne Lesarten eines Wortes können unter Umständen als Exotismen beschrieben werden. Dies ist etwa bei Senat der Fall: Mit Bezug etwa auf das Parlament einer Hansestadt stellt es keinen Exotismus dar, wenn es jedoch auf den römischen Senat oder den Senat im politischen System der USA angewandt wird, kann es als Exotismus gelten.

Fahnenwort

Oberbegriff: Schlagwort

s. auch: Hochwertwort, Stigmawort

Fahnenwörter sind feste Bestandteile öffentlicher Debatten. Sie bringen eine Debattenposition prägnant zum Ausdruck und laden gleichzeitig zur Identifikation mit dieser Position ein. Sie dienen dazu, als parteisprachliche Wörter aufzufallen (Hermanns 1982, 91 f.). Ein Fahnenwort ist als das positiv besetzte Gegenstück zum Stigmawort anzusehen.

Beispiel:

Freiheit (als positiv besetztes Wort des Liberalismus)

GeneralisierungBedeutungserweiterung

HochwertwortPrestigewort, Hochwertwort

Homonymenflucht, -differenzierung

s. auch: Homonymiekonflikt

Homonymenflucht oder Homonymendifferenzierung liegt vor, wenn eine Homonymie – eine formale Übereinstimmung bei deutlichen inhaltlichen Unterschieden – im Laufe des Sprachwandels beseitigt wird.

Homonymenflucht bzw. Homonymendifferenzierung kann dadurch vonstatten gehen, dass eines der beiden homonymen Wörter durch ein anderes verdrängt wird oder eine formale Differenzierung eintritt. Homonymenflucht kann z. B. für den älteren Gegensatz von 1Klinge enges Tal und 2Klinge (eines Messers) angenommen werden. Wenn man davon ausgeht, dass diese formale Übereinstimmung ein Hindernis für die Kommunikation bedeutet hat, so wäre dieses durch die Verdrängung von 1Klinge enges Tal durch Schlucht umgangen worden. Eine formale Differenzierung kann man beispielsweise für das Adjektiv 1englisch wie ein Engel annehmen, das wohl aufgrund seiner Nähe zu 2englisch auf England, die englische Sprache bezogen durch engelhaft verdrängt wurde.

Als Ursache für diese Prozesse ist in der Regel ein Homonymiekonflikt anzusehen.

Literatur: Fritz 2006, 82.

Wortgeschichte: Spießer

Zitierhilfe: Harm, Volker: „Homonymenflucht, -differenzierung“. In: Wortgeschichte digital – ZDL, https://www.zdl.org/wb/wgd/Terminologie#Homonymenflucht%2C%20-differenzierung.

Homonymie, Homonym

Von Homonymie ist die Rede, wenn ein Ausdruck zwei gänzlich unterschiedliche Bedeutungen aufweist, so dass nicht mehr von einem Wort, sondern von zwei Wörtern auszugehen ist. Ein solcher Fall liegt vor z. B. bei 1Reif gefrorener Tau und 2Reif Ring oder beim Gegensatz von 1einladen eine Fracht in ein Fahrzeug laden und 2einladen jemanden zu sich bitten.

Homonymie wird auf der Basis der jeweiligen Nennformen angesetzt. Bei Substantiven ist dementsprechend der Nominativ Singular ausschlaggebend, bei Verben der Infinitiv. Unterschiede in der Flexion werden bei Homonymie in der Regel vernachlässigt. So ändert der jeweils unterschiedliche Plural von 1Bank Sitzgelegenheit und 2Bank Geldinstitut (die Bänke vs. die Banken) nichts daran, dass in diesem Fall von Homonymie ausgegangen wird.

In der Lexikographie ist in der Regel das Schriftbild maßgeblich für den Ansatz einer Homonymie. Gleichlautende Wörter unterschiedlicher Wortarten werden nicht als Homonyme bezeichnet (etwa das Adjektiv reif, das kein weiteres Homonym zu 1Reif und 2Reif darstellt).

Literatur: Harm 2015, 48–49.

Wortgeschichten: asozial, Netzwerk, Spießer, Yippie

Zitierhilfe: Harm, Volker: „Homonymie, Homonym“. In: Wortgeschichte digital – ZDL, https://www.zdl.org/wb/wgd/Terminologie#Homonymie%2C%20Homonym.

Homonymiekonflikt

Ein Homonymiekonflikt ist gegeben, wenn eine für die Kommunikation nachteilige formale Ähnlichkeit von zwei Ausdrücken besteht, die zu Missverständnissen oder störenden Assoziationen führen kann.

Homonymiekonflikte können eine Homonymenflucht bzw. Homonymendifferenzierung auslösen. So wurde das Nebeneinander von 1englisch wie ein Engel und 2englisch auf England, die englische Sprache bezogen seit dem 19. Jahrhundert offenbar als problematisch empfunden, so dass anstelle von 1englisch zunehmend das klar differenzierte engelhaft verwendet wurde. Die störende Assoziation mit einem Tabubereich ist wohl der Grund dafür, dass Ficke Tasche zu Beginn des 19. Jahrhunderts außer Gebrauch kam.

Ein sicherer Nachweis, dass Sprecher tatsächlich einen Homonymiekonflikt sehen und dieser lexikalische Wandelprozesse auslöst, ist nur schwer zu führen. Auch hat die ältere Forschung das Prinzip der sprachlichen Ökonomie, dem zufolge ein Ausdruck einem Inhalt zu entsprechen habe, nicht selten überbewertet.

Literatur: Fritz 2006, 82.

Zitierhilfe: Harm, Volker: „Homonymiekonflikt“. In: Wortgeschichte digital – ZDL, https://www.zdl.org/wb/wgd/Terminologie#Homonymiekonflikt.

Kollektivum

Als Kollektivum (Plural: Kollektiva) bezeichnet man ein Substantiv, das im Singular steht, sich aber auf eine Menge von Sachverhalten oder eine Gruppe von Einzelwesen bezieht.

Beispiele:

Herde für eine Gruppe von Schafen

Gehölz für eine Menge von Bäumen oder Sträuchern

Lehnbedeutung

Eine Lehnbedeutung liegt vor, wenn ein bereits etabliertes Wort einen Bedeutungswandel erfährt, der auf ein formal ähnliches fremdsprachliches Wort zurückzuführen ist. So bedeutet realisieren zunächst verwirklichen, umsetzen (in Anlehnung an das Französische); nach dem Vorbild von englisch realise hat das deutsche Verb auch die Bedeutung begreifen, verstehen entwickelt.

Lehnschöpfung

Bei einer sog. Lehnschöpfung handelt es sich um ein Ersatzwort für ein Wort fremder Herkunft. Die Lehnschöpfung weist im Unterschied zur Lehnübersetzung und Lehnübertragung jedoch keine weitere oder engere strukturelle Entsprechung zwischen Ausgangs- und Zielwort auf (vgl. das neben das ältere Milieu tretende Umwelt oder Sinnbild nach dem aus dem Griechischen stammenden Symbol). Aufgrund der fehlenden formalen Entsprechung ist eine gesicherte Identifikation von Lehnschöpfungen im Einzelfall schwierig.

Literatur: Harm 2015, 131.

Zitierhilfe: Harm, Volker: „Lehnschöpfung“. In: Wortgeschichte digital – ZDL, https://www.zdl.org/wb/wgd/Terminologie#Lehnsch%C3%B6pfung.

Lehnübersetzung

s. auch: Lehnübertragung

Eine Lehnübersetzung gibt ein Wort fremden Ursprungs mit Mitteln der eigenen Sprache wieder. Im Gegensatz zur freieren Lehnübertragung erfolgt diese Wiedergabe möglichst genau, d. h. Einheit für Einheit. Lehnübersetzungen betreffen daher stets morphologisch komplexe Wörter. Ein Beispiel ist das Kompositum Rechtschreibung, das dem griechisch-lateinischen Ausgangswort orthographia bzw. dem Fremdwort Orthographie Glied für Glied entspricht. Auch Verbindungen von Nomen und Affix können Lehnübersetzungen sein (Brüderlichkeit nach frz. fraternité).

Lehnübertragung

s. auch: Lehnübersetzung

Eine Lehnübertragung gibt ein morphologisch komplexes Wort fremden Ursprungs mit Mitteln der eigenen Sprache wieder. Diese Wiedergabe erfolgt nicht Einheit für Einheit, wie im Fall der Lehnübersetzung, sondern ist etwas freier. So wird Wolkenkratzer als Lehnübertragung zu englisch skyscraper bezeichnet, weil zwar im Zweitglied das englische Vorbild klar erkennbar ist, im Erstglied jedoch anstelle von sky Himmel das deutsche Wort Wolke gesetzt wird.

Lexikalische Differenzierung

Eine lexikalische Differenzierung ist ein Sprachwandelprozess, in dessen Verlauf mehrere ausdrucksseitige Varianten eines Wortes mit spezifischen Bedeutungsgehalten versehen werden. So werden beim Wort Drache(n) die beiden Varianten des Nominativ Singular Drache und Drachen mit je eigenen Bedeutungen assoziiert: Die Form Drache wird überwiegend mit dem mythologischen Tier verknüpft, Drachen steht hingegen meist für das Fluggerät.

Wortgeschichten: Gesinde, Gesindel

Zitierhilfe: Harm, Volker: „Lexikalische Differenzierung“. In: Wortgeschichte digital – ZDL, https://www.zdl.org/wb/wgd/Terminologie#Lexikalische%20Differenzierung.

MeliorisierungBedeutungsverbesserung

Metapher

s. auch: Metonymie

Die Metapher ist eine Form des übertragenen, uneigentlichen Sprachgebrauchs. Sie beruht auf einer Ähnlichkeitsbeziehung. So ist für das Wort Flügel eine Funktions- und Formanalogie zwischen Vogelschwinge und Tragfläche beim Flugzeug konstruierbar. Diese Analogie bildet die Grundlage für das Aufkommen von Flügel Tragfläche beim Flugzeug Ende des 19. Jahrhunderts.

Viele Metaphern lassen sich grundlegenden Vergleichsmustern zuordnen, die bestimmte Ausgangs- und Zielbereiche systematisch miteinander verbinden, so etwa die Bereiche Argumentieren und Krieg in Ausdrücken wie jemandem etwas an den Kopf werfen, eine Ansicht verteidigen, schweres Geschütz gegen jemanden auffahren. Gegenüber Metonymien zeichnen sich Metaphern dadurch aus, dass sie oftmals entferntere menschliche Erfahrungsbereiche miteinander in Beziehung setzen (etwa Tier und Maschine beim Beispiel Flügel oder Reise und Leben in Verbindungen wie seinen Weg gehen). Metonymien und Metaphern stellen nicht nur rhetorische Figuren dar, sondern sind auch in der Alltagssprache omnipräsent. Sie spielen daher auch als Faktoren lexikalischen Wandels eine herausragende Rolle.

Wenn Sprecherinnen und Sprecher neue Metaphern hervorbringen, werden diese oftmals als originelle, innovative Formen der Versprachlichung wahrgenommen. Metaphern nutzen sich freilich nach einer gewissen Zeit ab und werden häufig auch nicht mehr als Übertragungen erkannt. In einigen Fällen liegt dies auch daran, dass sich der sachgeschichtliche Hintergrund ändert (etwa beim Kompositum Motorhaube, bei dem die Metaphorisierung der Kopfbedeckung Haube heute nicht mehr als solche wahrgenommen wird).

Metonymie

s. auch: Metapher

Die Metonymie ist eine Form des übertragenen, uneigentlichen Sprachgebrauchs. Metonymien beruhen auf einer realen Beziehung zwischen den Referenten, etwa einer Beziehung zwischen Teil und Ganzem, Produzent und Produkt oder Handlung und Handelndem. Ein Beispiel wäre Bedienung: Hier wird ein Ausdruck, der sich eigentlich auf eine Handlung bezieht (Die Bedienung geschah geräuschlos), für die handelnde Person gebraucht (Die Bedienung lächelte).

Metonymien und Metaphern stellen nicht nur rhetorische Figuren dar, sondern sind auch in der Alltagssprache omnipräsent. Sie spielen daher auch als Faktoren lexikalischen Wandels eine herausragende Rolle.

Wenn Sprecherinnen und Sprecher neue Metonymien hervorbringen, werden diese oftmals als originelle, innovative Formen der Versprachlichung wahrgenommen. Metonymien nutzen sich freilich nach einer gewissen Zeit ab und werden häufig auch nicht mehr als Übertragungen erkannt.

Paronymie

Eine Paronymie liegt vor, wenn zwei oder auch mehrere Wörter sowohl ausdrucksseitig als auch von ihrer Bedeutung her eng miteinander übereinstimmen. Wegen dieser weitgehenden Übereinstimmung werden Paronyme von Sprecherinnen und Sprechern oft leicht verwechselt, und ihre Verwendung ist oft Gegenstand von Fragen nach dem richtigen Wortgebrauch.

Beispiele für Paronymie sind Wortpaare oder -gruppen wie die folgenden:

anscheinend/scheinbar

formal/formell/förmlich/formalistisch

effektiv/effizient

Referenz/Reverenz

pejorativ

Eine Wortverwendung bezeichnet man als pejorativ, wenn diese eine Abwertung des Gemeinten zum Ausdruck bringt. Der Terminus pejorativ wird oft dann verwendet, wenn diese abwertende Wortverwendung das Resultat einer Bedeutungsverschlechterung (Pejorisierung) darstellt.

PejorisierungBedeutungsverschlechterung

Prestigewort, Hochwertwort

Ausdrücke, mit denen sich ein großer Teil der Sprechergemeinschaft besonders identifiziert, sind Hochwertwörter oder Prestigewörter. In der Sprache der Politik sind diese Wörter bevorzugt Gegenstand konkurrierender Bedeutungszuschreibungen: Demokratie oder auch Familie werden von einem überwiegenden Teil der Sprachgemeinschaft als positiv bewertet, was unter Demokratie oder Familie aber im Einzelnen zu verstehen ist, ist uneinheitlich und teilweise auch Gegenstand politischer Auseinandersetzungen (s. auch Bedeutungskonkurrrenz, Fahnenwort).

Literatur: Klein 1989, 21.

Wortgeschichten: Widerstand, Zivilcourage, Zivilgesellschaft

Zitierhilfe: Harm, Volker: „Prestigewort, Hochwertwort“. In: Wortgeschichte digital – ZDL, https://www.zdl.org/wb/wgd/Terminologie#Prestigewort%2C%20Hochwertwort.

PseudoanglizismusScheinentlehnung

Scheinentlehnung

auch: Pseudoanglizismus

Eine Scheinentlehnung liegt vor, wenn ein Wort in Bezug auf seine Form wie eine Übernahme aus einer anderen Sprache wirkt, in der vermeintlichen Gebersprache jedoch kein entsprechendes Wort vorhanden ist oder das betreffende Wort dort völlig anders verwendet wird. Als Beispiele ließen sich Showmaster und Home Office anführen: Das erste ist im Englischen kein etabliertes Kompositum, das zweite bedeutet im (britischen) Englischen Innenministerium.

Nicht als Scheinentlehnungen bezeichnet man laut Eisenberg 2018, 29 Fremdwortbildungen auf griechisch-lateinischer Grundlage, die kein Vorbild in den antiken Sprachen haben (Chaostheorie, Universitätspräsident). Sowohl Fremdwortbildungen dieser Art als auch Scheinentlehnungen wie die oben genannten zeigen, dass Wörter fremden Ursprungs keine bloßen Kopien aus der jeweiligen Gebersprache darstellen, sondern ein hohes Maß an Eigenständigkeit entwickeln können. Sie können dementsprechend auch semantische Entwicklungen durchlaufen, durch die sie sich von ihrer Entlehnungsgrundlage unterscheiden (vgl. Parterre Erdgeschoss, dem im Französischen die Bedeutungen Blumenbeet und Parkett gegenüberstehen; die Bedeutung des Deutschen hat sich wohl aus der präpositionalen Verbindung par terre an/auf der Erde über parterre wohnen ebenerdig wohnen herausgebildet).

Literatur: Eisenberg 2018, 29 f.

Wortgeschichte: Crème de la Crème

Zitierhilfe: Harm, Volker: „Scheinentlehnung“. In: Wortgeschichte digital – ZDL, https://www.zdl.org/wb/wgd/Terminologie#Scheinentlehnung.

Schlagwort

Unterbegriffe: Fahnenwort, Stigmawort

Schlagwörter sind feste Bestandteile öffentlicher Debatten und bringen eine Debattenposition prägnant zum Ausdruck. In der Regel enthalten sie eine rudimentäre, in einem Wort komprimierte argumentative Struktur (Klein 1989, 13). Schlagwörter können entweder mit einer positiven oder einer negativen Wertung verbunden sein (vgl. Fahnenwort vs. Stigmawort).

Beispiel:

Freiheit, Sozialismus, Meinungsdiktatur, illiberal

Ein Ausdruck kann je nach der Position des Sprechers in der Debatte entweder Fahnenwort oder Stigmawort sein. Sozialismus etwa wird von der linken Seite des politischen Spektrums als erstrebenswerte Gesellschaftsform betrachtet und ist dementsprechend Fahnenwort. Für Vertreter der entgegengesetzten politischen Position ist es dagegen ein Stigmawort: Hier fasst Sozialismus all das zusammen, was man ablehnt. Je nach Standpunkt des Sprechers können auch spezifische lexikalische Relationen gebildet werden. Zu Sozialismus als Fahnenwort wäre als Gegensatz das Stigmawort Kapitalismus/Imperialismus zu stellen. Fungiert Sozialismus hingegen als Stigmawort, kann dem ein Fahnenwort wie Freiheit entgegengesetzt werden. Fahnen- und Stigmawort treten somit oft paarweise auf.

SpezialisierungBedeutungsverengung

Stigmawort

Oberbegriff: Schlagwort

Stigmawörter sind feste Bestandteile öffentlicher Debatten. Sie bringen eine Debattenposition prägnant zum Ausdruck und verbinden sich mit einer negativen Bewertung dieser Position.

Beispiel:

neoliberal, Imperialismus, Meinungsdiktatur

Wortkreuzung

Unter Wortkreuzung versteht man eine Art der Wortbildung, bei der zwei Wörter miteinander kombiniert werden, so dass beide Ausgangswörter noch erschlossen werden können. Dabei wird eine neue Gesamtbedeutung geprägt.

Beispiele:

Kurlaub als Kreuzung von Kur und Urlaub

denglisch aus deutsch und englisch

Wahlkrampf aus Wahlkampf und Krampf

Literatur: Fleischer/Barz 2012, 93–94.

Wortgeschichte: Prekariat

Zitierhilfe: Harm, Volker: „Wortkreuzung“. In: Wortgeschichte digital – ZDL, https://www.zdl.org/wb/wgd/Terminologie#Wortkreuzung.

Literatur

Bergmann 1995 Bergmann, Rolf: „Europäismus“ und „Internationalismus“. Zur lexikologischen Terminologie. In: Sprachwissenschaft 20 (1995), S. 239–277.

Blank 1997 Blank, Andreas: Prinzipien des lexikalischen Bedeutungswandels. Tübingen 1997.

Eisenberg 2018 Eisenberg, Peter: Das Fremdwort im Deutschen. 3., überarb. u. erw. Aufl. Berlin/Boston 2018.

Fleischer/Barz 2012 Fleischer, Wolfgang/Irmhild Barz: Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. 4., völlig neu bearb. Aufl. unter Mitarbeit von Marianne Schröder. Berlin/Boston 2012.

Fritz 2006 Fritz, Gerd: Historische Semantik. 2., akt. Aufl. Stuttgart/Weimar 2006.

Fritz 2020 Fritz, Gerd: Darstellungsformen in der historischen Semantik. Gießen 2020.

Gardt 2012 Gardt, Andreas: Textsemantik. Methoden der Bedeutungserschließung. In: Jochen A. Bär/Marcus Müller (Hrsg.): Geschichte der Sprache und Sprache der Geschichte. Probleme und Perspektiven der historischen Sprachwissenschaft des Deutschen. Oskar Reichmann zum 75. Geburtstag. Berlin/New York 2012, S. 60–83.

Harm 2014 Harm, Volker: Transfer und Verflechtung. Zur Darstellung von Europäismen in ‚Nationalwörterbüchern‘: In: Andrea Bambek/Volker Harm (Hrsg.): Fremd- und Lehnwortschatz im sprachhistorischen Wörterbuch. Hildesheim u. a. (Germanistische Linguistik 228), S. 157–170.

Harm 2015 Harm, Volker: Einführung in die Lexikologie. Darmstadt 2015.

Hermanns 1982 Hermanns, Fritz: Brisante Wörter. Zur lexikographischen Behandlung parteisprachlicher Wörter und Wendungen in Wörterbüchern der deutschen Gegenwartssprache. In: Studien zur neuhochdeutschen Lexikographie II. Hrsg. v. Herbert Ernst Wiegand. Hildesheim u. a. 1982, S. 87–108.

Klein 1989 Klein, Josef: Wortschatz, Wortkampf, Wortfelder in der Politik. In: Politische Semantik. Bedeutungsanalytische und sprachkritische Beiträge zur politischen Sprachverwendung. Hrsg. v. Josef Klein. Opladen 1989, S. 3–50.

Mell 2022 Mell, Ruth M.: Art. „Aufwertung/Meliorisierung“. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hrsg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 4. 2. 2022. (diskursmonitor.de)

Rehbock 2000 Rehbock, Helmut: Art. „Pejorativ“. In: Helmut Glück (Hrsg.): Metzler Lexikon Sprache. 2., überarb. u. erw. Aufl. Stuttgart/Weimar 2000, S. 515 f.

Schulz 2005 Schulz, Matthias: Schichten alter und neuer Fremdwörter als Europäismen im Deutschen. In: Deutsche Sprache 33 (2005), S. 60–77.

Storjohann 2021 Storjohann, Petra: German Paronym Dictionaries. The Shift from Prescriptive Print Editions to Electronic Corpus-Based Resources. In: Hans Van de Velde/Fredric T. Dolezal (Hg.): Broadening Perspectives in the History of Dictionaries and Word Studies. Newcastle 2021, S. 194–222.